Mütter - Töchter und Erwartungen !

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Das Buch von Alena Schröder mit dem wunderschönen Cover stellt eins meiner Highlights in diesem Lesejahr dar!
Ich hätte diese wunderbare Familiengeschichte der Borowskis in einem Rutsch durchlesen können, habe mich aber gezwungen langsam und in Abschnitten zu lesen, um ein längeres Leseerlebnis zu haben!
In der Geschichte, die auf 2 Zeitebenen spielt, 1989 und der Entwicklung seit 1950, handelt es sich im Kern um ein Buch, dass sich mit gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen auseinandersetzt- Erwartungen an den Bruder der traumatisiert aus dem Krieg heimkehrt, an die Freundin, die sich durch Heirat verändert, an die Töchter, die sich nicht den gesellschaftlichen Konventionen anpassen und auch an die Mütter, denen es an Zuneigung und Innigkeit mangelt.
Im Kern geht es um Folgendes:
Die frisch gebackene junge Mutter Silvia - enttäuscht und wütend von der abweisenden Haltung des Vater des Kindes und über die Rücksichtslosigkeit ihrer Mitbewohner -flüchtet überstürzt mit ihrer kleinen Tochter Hannah aus ihrer alternativen Berliner WG zu ihrer Mutter in das Dorf Ildingen ihrer Kindheit, dem sie eigentlich zu entfliehen gedachte. Dort trifft sie auf die im Gegensatz zu Berlin kleinbürgerliche, beklemmende Atmosphäre, und ihre abweisende Mutter; die greifbare Spannung zwischen Mutter und Tochter hat die Autorin hervorragend eingefangen. Wer in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, wo jede Veränderung bzw. Abweichung mit Argusaugen beobachtet wird, wird an den subtilen Schilderungen der Autorin großen Gefallen finden.
Der parallel dazu geschilderte Rückblick in die 50 er Jahre befasst sich mit zunächst mit der Eheschließung von Silvias Eltern und deren familiärem Umfeld, wobei deutlich wird, wie tiefgreifend die Kriegserlebnisse die Familie geprägt haben. Einfühlsam schildet Alena Schröder die berufliche Entwicklung von Silvias Mutter, die trotz absolvierten Medizinstudiums und Doktortitels in den 60er Jahren nicht die berufliche Anerkennung und Selbstverwirklichung erfährt, die sie sich vorgestellt hat. Als den allgemeinen Erwartungen entsprechend sich endlich das erwünschte Kind einstellt, entwickelt sich dieses nicht wie von der Mutter erwartet, so dass die Frustration der Mutter, die in die Hausfrauenrolle gedrängt wird, die Kindheit Silvias überschattet.
Die gesamte Entwicklung der Mutter - Tochter Beziehung ist genau beobachtend, höchst einfühlsam geschildert und man fühlt und leidet mit den Romanfiguren, die die Vergangenheit, verschwiegene Geheimnisse und die Sprachlosigkeit überwinden müssen.

Neben diesen beiden zentralen Figuren gibt es weitere interessante Protagonisten, wie z.B. die leicht verbitterte und vom Leben enttäuschte aber unkonventionelle Tante Betti, die sich den Mund nicht verbieten lässt „Pfeif auf die Leut“ und die für Silvia in ihrer Jugend zu einem festen Halt wird.
Die Autorin hat nicht nur die Figuren des Buches authentisch wiedergegeben sondern auch den Zeitgeist und die Atmosphäre auf beiden Zeitebenen perfekt eingefangen und die Feinheiten und Schwierigkeiten des Miteinanders genau beobachtend geschildert, so dass das Lesen des Buches eine reine Freude ist!
Ein unterhaltsamer Roman mit Tiefgang- unbedingte Leseempfehlung!