Mütter und Töchter

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Berlin, 1989: In der Stadt herrscht Aufbruchstimmung und auch die junge Mutter Silvia bricht auf, allerdings in die andere Richtung, an den Ort ihrer Vergangenheit.
Nachdem sie der (verheiratete) Vater des Kindes verlassen hat, packt sie kurzerhand die wenig Wochen alte Tochter, klaut das Auto ihres Mitbewohners und verlässt die Berliner WG in Richtung Ildingen, einem verschlafenen Dorf in der Provinz. Obwohl sie zu ihrer Mutter in den letzten Jahren kaum Kontakt hatte, überfällt sie plötzlich das Bedürfnis nach einer Familie und mütterlicher Fürsorge, auch wenn das bisher nicht ihre Stärke war...

Wer Alena Schröders Debütroman kennt, dem werden die Figuren seltsam bekannt vorkommen und richtig, genau diese Frauen sind einem schon im ersten Roman begegnet, allerdings mit einem anderen Fokus.
Während in der 'Junge Frau am Fenster stehend...' der erzählerische Schwerpunkt auf der Enkelin und der Oma liegt, ist die besagte Enkelin in diesem Roman noch ein Baby. Im Mittelpunkt steht hier die Mutter Silvia, die im ersten Roman eher am Rande vorkam.
Aber die Oma spielt wieder eine größere Rolle, hier aber in ihrem problematischen Verhältnis zu ihrer Tochter. Denn die Ärztin kann sich nicht mit ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter anfreunden, was sich in ihrem Verhältnis zu Silvia immer negativer auswirkt.
Das einsame Mädchen sucht daher immer mehr den Kontakt zu ihrer Tante Betti, dem enfant terrible der Familie.

Für mich war es sehr interessant, nochmal mehr über die Figuren aus dem ersten Roman zu erfahren - nachdem ich realisiert habe, dass es dieselben sind. Gerade an den Stellen, die im ersten Roman nur relativ kurz gestreift wurden. Während dort die schwierige Mutter-Tochter-Beziehung immer wieder anklingt, steht sie hier im Mittelpunkt und ich finde die Problematik gut umgesetzt. Gerade das Bedürfnis, das Verhältnis zur Mutter zu klären, als man selbst Mutter wird, wirkt sehr authentisch. Denn tatsächlich wirft diese Lebensphase viele Fragen auf, nicht nur in Bezug auf das eigene Kind.

In dem Kontext fand ich es sehr interessant, nochmal mehr über Silvias Mutter Evelyn und ihre Probleme als berufstätige Frau in den fünfziger Jahren zu erfahren, auch wenn sie mir nicht sonderlich sympathisch war, muss ich sagen. Ihr Verhalten Silvia gegenüber fand ich schon ziemlich grenzwertig und wenig liebevoll. Dafür ist der Titel auch ziemlich bezeichnend: Ein Umfeld, das nicht für Kinder gemacht ist und sie eigentlich keinen Platz haben. Umso interessanter ist, wenn dort plötzlich ein Baby auftaucht. Aber um das zu erfahren, müsst ihr das Buch lesen. Auch wenn mir der erste Roman noch ein bisschen besser gefallen hat, kann ich euch auch dieses Buch ans Herz legen. Allein schon, um sich jeden Tag dieses wundervolle Cover anzuschauen.