Schreibstil gut - Frauenbild schrecklich!

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elchi130 Avatar

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Megan zieht sich in das Haus ihrer Freundin nach Cliff´s Edge zurück, um zur Ruhe zu kommen und wieder zu sich selbst zu finden. Sehr schnell ist sie von Zachary, dem sehr zurückgezogen lebenden Nachbarn, fasziniert. Auch er fühlt sich von Megan angezogen. Doch beide sind verletzte Seelen. Und Zachary versucht Megan zu Beginn mit allen Mitteln von sich zu stoßen…

Die ersten paar Seiten fand ich den Text echt schön und hoffte, dass sich zwei verletzte Seelen finden, die sich Halt geben und es eine schöne Liebesgeschichte wird. Gefunden habe ich dann aber eine Frau, die immer wieder zu wissen glaubte, was Zachary fühlt und warum er sich so abweisend verhält. Deshalb lässt sie sich auch immer wieder von ihm zurückweisen und steht doch jeden Tag wieder vor seiner Tür. Dieses offensichtliche Spiel aus Helfersyndrom und Stalkingverhalten fand ich dann beim Lesen unglaublich gefährlich und habe mich immer wieder gefragt, ob es wirklich gut ist, dieses für viele Frauen typische Verhalten auch noch in einem Buch so übertrieben darzustellen.

Als sich dann schließlich eine Liebesgeschichte aus den beiden entwickelt, leitet sie daraus das Recht ab, Antworten auf Ihre Fragen zu erhalten. Sie sagt es an einer Stelle sogar wortwörtlich, dass sie nun ein Recht auf Antworten hat. Da habe ich dann wiederum gedacht, dass sie falsch verstanden hat, worum es in der Liebe eigentlich geht. In der Liebe erwirkt sich keiner Rechte zu irgendetwas. Entweder der andere gibt freiwillig, was ich haben möchte oder eben nicht. Wenn mir das nicht reicht, ist es der verkehrte Partner. Auch das finde ich wieder sehr gefährlich. In mir hat Megan durch ihr Verhalten einfach den Wunsch ausgelöst sie zu schütteln und sie zu schlagen. Sie ist in das Städtchen gekommen, weil sie gerade von einem Mann nach Strich und Faden verarscht worden ist und wenn ich sie hier so beobachte, dann hat sie nichts daraus gelernt und es wirklich nicht anders verdient. Immer wieder habe ich überlegt, das Buch abzubrechen.

Und obwohl sich Zachary oft benommen hat, wie der letzte Rüpel, habe ich seine Sicht der Dinge gerne gelesen und finde ihn komischer Weise nicht unsympathisch. Klar, sein schlechtes Benehmen hat mich genervt und war ein klares Signal, sich fern zu halten. Er will seine Ruhe und macht das klar. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau das nicht so verstanden hätte. Daher finde ich das Buch sehr unrealistisch. Aber das ist eine Schwäche, die ich der Autorin zuschreiben muss und nicht ihrer männlichen Hauptperson.

Dann kommt der Wendepunkt der Geschichte. Und ich atme laut auf, denn ich habe schon befürchtet, dass das Buch nun so weitergeht. Eine Frau mit Helfersyndrom und der Vorstellung vom Wunschprinzen, den sie sich formen kann und ein Mann, der sich benimmt, wie die Axt im Walde, aber die Frau verzeiht ihm alles… Ein schreckliches Frauenbild, das hier gezeichnet wird!

Nach dem Wendepunkt finde ich die Geschichte atmosphärisch sehr dicht. Ich bin sofort gefesselt und fühle mich wieder an den Anfang des Buches, der mir gefallen hat, zurückversetzt. Die Gefühle von Megan sind sehr spürbar und realistisch. Mein Gedanke beim Lesen ist immer wieder: Ja, genauso fühlt sich das an. Ich bin ganz gefesselt von den Seiten und kann gar nicht aufhören zu lesen. Hier finde ich, dass die Schriftstellerin unglaublich gut schreiben kann. Sie kann sehr gut vermitteln, was in Megan vorgeht. Wenn das gesamte Buch so gewesen wäre, wäre es bestimmt ein Buch geworden, über das ich bei Freundinnen immer wieder geredet hätte. Aber so gut ich den zweiten Teil finde, so schrecklich finde ich den ersten Teil. Der zweite Teil geht mir unter die Haut, beschäftigt mich, ist eindringlich. Das Ende ist zwar vorhersehbar, was ich für meinen Teil jedoch okay finde. Nach den starken Emotionen, braucht es zum Ende einen Ausgleich.

Insgesamt 3 von 5 Sternen – für den ersten Teil 1 und den zweiten Teil 5 = 3