Der Sinne verwirrt

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leseleucht Avatar

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Die Autorin versucht, eine möglichst allumfassende Geschichte der Ekstase zu schreiben, religions-, kultur-, aber auch zeitgeschichtlich, mal medizinisch betrachtet, wissenschaftlich fundiert, mal aus dem Nähkästchen plaudernd, mal philosophische, mystische Quellen paraphrasierend, ohne Konjunktiv, aber im Präsens, um sich von dem faktenschaffenden Präteritum abzugrenzen. Mal geht es um den einzelnen, mal um den Massenwahn, mal um den Höhepunkt der Freude, um Erkenntnisgewinn, mal um Schmerz und Rausch. Die Kapitel folgen zwar der Struktur der Bewegung einer Schaukel, aber so recht will sich das Thema nicht in eine Form bringen lassen. Das liegt zum einen am Thema selbst, an seiner schweren Fassbarkeit, wie es die Autorin im Vorwort auch selbst einräumt. Allerdings helfen die vielen „Exkursive“, wie sie die Autorin recht eigenwillig nennt, um sie an den Begriff „Diskursive“ anzugleichen, für den man umgekehrt auch einfach hätte „Diskurs“ sagen können, dabei wenig. Und auch nicht die vielen Abschweifungen über Greta Thunberg als zweifelhafte Prophetin und die Lebensmittelindustrie mit ihren Vitaminpillen. Oder die persönlichen Erlebnisse der Autorinnen. Die Mediävistin verfügt unbestritten über ein enormes Wissen und hat fleißig Quellenstudium betrieben, doch gelingt es nicht immer, die Flut an Informationen zu bändigen. Man spürt, dass ihr alles wichtig ist und sie das alles dem Leser gerne zuteil werden lassen möchte. Aber als Laie fühle ich mich von den vielen Ein-, Aus- und UmdieEcke-Blicken zuweilen ein wenig überfordert bei der Frage: wo waren wir eigentlich gerade stehen geblieben. Dabei ist doch die Materie schwer genug zu fassen, zumal wenn man sich wie ich dabei ertappt, selbst von einem eurozentristischen, vom Primat der ratio dominierten Weltbild beherrscht zu werden, der es schwer macht, die Weltsicht der Mystiker, die in Leiden und Schmerz Erkenntnis und Erlösung suchten, nachzuvollziehen.
Leichter macht es bisweilen der ein wenig übertrieben elaborierte Stil auch nicht.
Das Buch schildert sicherlich viele spannende Details, die Autorin ist auf jeden Fall belesen und klug, aber das Gelesene entzieht sich mir einer Stringenz, sodass mich die Fülle ein wenig verwirrt und mir die Struktur fehlt, die Erkenntnisse fassen zu können.