Ekstase als Forschungsgegenstand, ein wissenschaftlich fundiertes Fachbuch

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Rasha Kirakosian ist Professorin für Mediävistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Ihr Forschungsgebiet liegt bei Frauengeschichte, Textkultur und Religion des Mittelalters. Die fünf Kapitel des Buchs sind nicht leicht zu lesen, da sie vollgepackt mit Informationen sind und viele Verweise beinhalten. Allein das Kapitel Anmerkungen mit Belegen und Zitaten umfasst 60 Seiten - das ist nichts zum oberflächlich lesen!
Hier wird ein sehr weiter Bogen gespannt - vom antiken Griechenland (Delphi), dem frühen Christentum, Buddhismus bis zu den indigenen Völkern Südamerikas. Hatten die frühen Seher und Visionäre Kontakt mit psychoaktiven Substanzen - oder ist das nur eine zu einfache Deutung? Immerhin musste ja auch längere Zeit gefastet und enthaltsam gelebt werden, um erleuchtet zu werden und mit höheren Mächten in Kontakt zu kommen.
Mystikerinnen und Büßer - die Schilderungen von mittelalterlichen Bußpraktiken und körperlicher Selbstkasteiung, die zu einer Vereinigung mit Gott und religiöser Ekstase führen sollen, können Menschen in heutiger Zeit kaum mehr nachvollziehen. Manches scheint weit hergeholt, aber im Kontext schlüssig, auch die kaum verständliche Gedankenwelt, die Christen zu Inquisition und Hexenverfolgung führte. Diese Themen werden jedoch nur am Rande berührt.
Religiöse Ekstase, rauschhafter Tanz bis zur Massenhysterie - alles Erscheinungsformen des gleichen Phänomens ...Trance, Rave, Sportveranstaltung, Rockkonzert, sogar große enthusiastische Menschenmengen wie bei Trump-Auftritten, sind ekstatische Gruppenerfahrungen in heutiger Zeit.
Am Ende muss die Autorin selbst zugeben, dass sich die Ekstase auch nach langer Zeit und intensiver Forschung nicht fassen lässt und dem entzieht, der sie erfassen will.
Der Buchumschlag im Psychedelic-Art-Stil lockt auf die falsche Fährte - keine Sensationen, keine Schilderung von Drogenerfahrungen, vielmehr ein wissenschaftlich fundiertes Sachbuch, aber deshalb nicht weniger spannend!