Emanzipation vom Alkohol

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tintenteufel Avatar

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Dieses Buch ist schwer einzuordnen: Zwei New Yorker Bestsellerautorinnen nehmen sich die Freiheit, nicht (mehr) zu trinken, und laden den Leser ein, das Leben einmal ganz nüchtern zu betrachten und ohne Alkoholkonsum eine neue Achtsamkeit zu entwickeln. Dies geschieht eher assoziativ, in Form autobiographisch geprägter kleiner literarischer Essays von jeweils wenigen Seiten Länge.
Für mich als notorische Wassertrinkerin war es eine faszinierende Reise in die vielen Situationen, in denen Alkohol ein Gestaltungselement, eine Lebenshilfe oder auch einfach nur ein ‚Eisbrecher‘ sein kann. Und ebenso vielfältig die Ansätze, diese Lebenssituationen anders zu gestalten: vom Teeritual über das Wannenbad bis hin zu neuen Formen des Bekanntschaften-Schließens und Feierns: „Lebensmittel und Getränke symbolisieren Erlebnisse und Erinnerungen, sie versinnbildlichen die Liebe zwischen Menschen oder das Aufregende am Reisen … Aber nirgendwo steht geschrieben, dass sie Alkohol enthalten müssen.“
Auch mit anderen Konnotationen von Alkoholkonsum beschäftigen sich die Autorinnen: so etwa dem Enthemmenden und Kreativitätsfördernden, dem Mythos von der bewusstseinserweiternden Droge: „Aber ein Besäufnis ist nicht die einzige Möglichkeit, die Dimension zu wechseln, durch Tore und Pforten zu treten.“ Schlimmer noch: „Sie begriff, dass die Anarchie, die sie ausschließlich spätnachts und immer und immer wieder auf dieselbe Weise gesucht hatte, längst nicht mehr revolutionär, sondern angepasst war.“
Zusammenfassend sind die Einblicke in die vielen Erwartungen und Hoffnungen, die in Alkohol gesteckt werden, wirklich überraschend und im Detail finden sich literarische Kostbarkeiten, so etwa als die Autorin die neue entdeckte Sinnenfreude bei einem Teeritual schildet.
Dennoch ist mir als eher ungeduldiger Leserin vieles zu weitschweifig erzählt, und ich habe mich dabei ertappt, streckenweise nur die letzten Zeilen der Kapitel zu lesen. Aber weil ich meine Ungeduld nicht den Autorinnen anlasten möchte, vergebe ich vier von fünf Sternen.