Würdiges Denkmal für die Mineure des 19. Jahrhunderts im Gotthardtunnel!

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Inhalt
Nachdem der Warenverkehr zwischen den Ländern nördlich und denen südlich der Alpen jahrhundertelang unter großen Beschwernissen und Gefahren mit Fuhrwerken über den Gotthardpass gelaufen ist, beschließt man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, einen Eisenbahntunnel durch den Berg zu bauen. Unter der Leitung des Schweizer Bauunternehmers Louis Favre beginnt im Jahr 1872 der Bau von der nördlichen Seite im Dorf Göschenen, auf italienischer Seite wird ebenfalls mit den Tunnelarbeiten begonnen.
In Göschenen leben viele Einwohner, so auch der Vater von Helene Herger, von ihrer Arbeit als Fuhrhalter und manche von ihnen fürchten, durch den Bau eines Eisenbahntunnels ihre Lebensgrundlage zu verlieren. Doch der Bau wird ungeachtet der Proteste vorangetrieben. Für die Bauarbeiten werden viele Italiener als Mineure angeworben, auch diesen stehen viele Göschener Bürger wegen deren angeblich „lockeren Sitten“ ablehnend gegenüber. Als Helene und der italienische Mineur Piero, der bei ihrer Familie zur Untermiete wohnt, sich ineinander verlieben, scheint dieser Beziehung keine Zukunft beschieden…

Beurteilung
Der Roman, der einige fiktive Protagonisten in ein gründlich recherchiertes historisches Umfeld stellt, schildert überaus eindrucksvoll die gigantische Meisterleistung, die Ingenieure und Hunderte einfacher Bergleute im Verlauf des Tunnelbaus vollbringen. Die Arbeitsbedingungen im unbelüfteten überhitzten Tunnel sind unmenschlich, viele Arbeiter kommen ums Leben – teilweise durch Unfälle bei Sprengungen mit dem sehr empfindlichen Dynamit oder durch Steinschlag, aber auch durch Krankheiten wie z.B. eine Staublunge. Ein Streik der Tunnelarbeiter im Jahr 1875 bringt keine wesentlichen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, denn die Bauherren stehen unter massivem Zeitdruck.
Es gelingt der Autorin sehr gut, das technische Vorgehen bei den Bohrungen anschaulich und für Laien verständlich zu schildern. Auch das gesellschaftliche Umfeld in dem traditionsverbundenen Bergdorf und die Konflikte zwischen den Einheimischen und den italienischen Arbeitern werden eindrucksvoll verdeutlicht. Die Infrastruktur des Dorfes ist überfordert, es gibt nicht genug Unterkünfte für die Arbeiter, die sich teilweise mit Anderen ein Bett teilen müssen und in Wechselschichten schlafen.
In die Handlung rund um den Tunnelbau ist eine schöne, glaubwürdige Liebesgeschichte ohne überzogene Sentimentalität eingebettet. In diesem Zusammenhang sind sowohl die Charaktere der beiden Liebenden als auch ihrer Familien differenziert ausgestaltet.
Der Anhang des Romans enthält ein Verzeichnis in den Tunnelbau involvierter Persönlichkeiten und ein Glossar mit Fachbegriffen aus dem Tunnelbau, die das Verständnis des bergmännischen Laien erleichtern.

Fazit
Ein rundum gelungener Roman um den Bau des Gotthardtunnels 1872 bis 1882, der den Menschen, die unter unmenschlichen Bedingungen dort arbeiteten und teilweise ihr Leben verloren, ein würdiges Denkmal setzt!