Das Abenteuer Auswanderung

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Die kleine Sanja wächst in einem Weißrussland des Umbruchs auf. Mit Gorbatschows Perestroika nimmt der Geschäftssinn von Sanjas Vater Edik und dessen Freunden derart kreative Ausmaße an, dass sich ihr Bauunternehmen nicht immer im legalen Bereich bewegt. Währenddessen bröckeln die Grenzen und immer mehr Freunde und Familienmitglieder wandern aus in das Land der unendlichen Möglichkeiten – Besserland. So beschließen auch Sanjas Eltern, die Koffer zu packen und das Abenteuer Ausreiseantrag beginnt. Nur der Anfang einer Reise, die dann doch nicht an dem Ort endet, zu dem sie ursprünglich aufgebrochen sind. Aber Krefeld ist ja auch ganz schön.

In munterem Ton erzählt Alexandra Friedmann aus der Perspektive der kleinen Sanja die Auswanderung einer Familie aus einem System, das seinem Ende entgegen geht. In die eine große Geschichte der ersten politischen Veränderungen, dem Plan des Auswanderns, der Vorbereitungen, der tatsächlichen Reise und dem ersten Jahr in Deutschland webt die Autorin zahlreiche Episoden über Nebenfiguren und vergangene Erlebnisse, sodass ihr Roman eher einem Geschichtenkonglomerat gleicht. In humorvoller Übertreibung wird ein Land und sein absurdes System gespiegelt, aber auch der Erfindungsreichtum, mit dem sich die Menschen darin über Wasser halten. Manchmal hat man das Gefühl, der rote Faden verliert sich, doch all die Episoden gehören zusammen, bilden am Ende ein vielschichtiges Bild von einem Stück osteuropäischer Geschichte. Nicht ganz überzeugend empfand ich hingegen die Erzählperspektive, da die kleine Sanja auch Gedanken und Handlungen schildert, von denen sie nichts wissen kann bzw. bei denen sie nicht anwesend war.

Eine humorvolle und metaphernreiche Auseinandersetzung mit der Geschichte einer Familie in einem bröckelnden Osteuropa.