Wie war die Zeit des Mauerfalls in der Sowjetunion?

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Besserland ist der autobiografische Debütroman von Alexandra Friedmann über ihre Ausreise 1989 aus der Sowjetunion nach Deutschland. Mich persönlich hat der Roman gut unterhalten, ich fand den Stoff interessant, die Anekdoten amüsant und Länge des Romans angemessen. Im gleichen Atemzug muss ich leider auch feststellen, dass mich einiges an dem Roman nicht vollstens zufrieden gestellt hat. Beide Seiten werde ich versuchen zu beleuchten.
Der Roman ist aus Alexandras kindlichen Perspektive erzählt. Die damals 5-jährige Alexandra berichtet über ihr Leben und das ihrer Eltern wie es zum Ausreiseantrag kam, wie viel Hürden ihre Eltern nehmen mussten und was für Zufälle sie im Endeffekt nach Besserland – Deutschland gebracht hat. Hier liegt für mich das größte „literarische Problem“, da oft Geschichten der Eltern erzählt werden, die zum einen keine Tiefe haben, aber auch keiner kindlichen Perspektive gerecht werden. Andererseits sind am Ende des Romans einige Passagen wo doch die kindliche, ihre Perspektive klar zu Tage kommt und auch interessante Einblicke gewährt. Klar, als Autorin hat sie sich mit ihren Eltern und ihrer Familie stark auseinander gesetzt um dieses Buch zu schreiben und hat nun in der Retrospektive eine andere, erwachsene Einsicht, aber die Umsetzung des kindlichen Ich-Erzählers ist ihr hier leider nur stellenweise gelungen. Eventuell hätten unterschiedliche Erzähler pro Kapitel dieses Problem behoben.
Endlich ein Roman, der eine klassische Kapitelaufteilung hat. Ich fand es sehr angenehm mal wieder ein Buch mit einer sehr klassischen Kapitelaufteilung zu lesen. Klar strukturiert und tituliert sind die einzelnen Kapitel. Im Großen und Ganzen ergibt es eine große Geschichte, die einzelnen Kapitel stehen aber fast Anekdotenhaft nebeneinander.
Durch die sehr amüsante, anekdotenhafte Erzählweise bleiben aber leider viele Charaktere etwas blass, zu unscharf. An vielen Stellen hätte ich gern mehr erfahren, hätte gerne einen tiefen Einblick gehabt. Hier auch wieder viel der einschneidenden Perspektive des Kindes geschuldet.
Trotz allem ist der Roman sehr erfrischend, kurzweilig (im positiven Sinne!) und spannend geschrieben. Die Autorin hat großes Schreibtalent und ihre eigene Geschichte charmant aufgeschrieben. Ich finde auch die Länge des Romans genau richtig. Es zieht sich nicht unnötig in die Länge.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur Buchgestaltung selbst. Der Umschlag ist an sich gut gestaltet und passend, vor allem fand beim Lesen die raren Fotos auf dem Umschlagrücken total toll, da ich mir so die handelnden Personen sehr viel besser vorstellen konnte. Nachdem ich das Buch nun gelesen ins Regal gestellt habe, ist mir aber leider sehr nicht so schöne Buchrücken aufgefallen. Ich bin fast geneigt den Schutzumschlag abzumachen, da mich die zu große Schrift irgendwie stört. Schrift ist auch der einzige andere kritikpunkt am Schriftsatz. Ich finde die gewählte Schriftart nicht sonderlich lesefreundlich. Zu hart für meinen Geschmack.
Fazit: Trotz einiger Schwächen ist der Roman lesenswert. Empfehlenswert vor allem für junge Leser, die sich eventuell mit dem Mauerfall im Geschichtsunterricht befassen und dazu ausgleichende literarische Lektüre für persönlicheres Verständnis der Perestroika möchten.
Ich bin gespannt auf kommende Romane von Alexandra Friedmann, da ich ihr erzählerisches Talent sehr schätze.


Ich habe auch kürzlich eine Postcast-Rezi des NDR Kultur zum Roman gehört mit Interview-Teilen der Autorin. Sehr empfehlenswert obwohl ich mit der Rezensentin nicht ganz übereinstimme:
http://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Alexandra-Friedmann-Besserland-,besserland102.html