Wenn Oberflächlichkeit ehrlich wirkt

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kirakolumna Avatar

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Schon auf den ersten Seiten wird klar, dass Jenny Mustard sehr aufmerksam schreibt: Consent im LGBTQI+-Kontext taucht sofort auf und zwar ganz selbstverständlich. Das wirkt zeitgemäß und klug. Gleichzeitig stolpert man über die Art, wie die Handlung eingeführt wird. Da wird einfach runtergerattert, was schon passiert ist, ohne dass es literarisch besonders kreativ wirkt. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass die Erzählung im Präsens geschrieben ist.
Und doch: Was die Protagonistin schildert, sind absolut nachvollziehbare Handlungen, Denkmuster und Dynamiken. Gerade die Oberflächlichkeit ihrer Beobachtungen passt erstaunlich gut zu einer Anfang-20-Jährigen, die noch mitten in der Selbstsuche steckt. Sie wirkt eitel, berechnend, manchmal sogar unsympathisch – und genau das macht neugierig. Mit der einzig sympathischen, wenn auch wohlstandsverwahrlosten Person will die Protagonistin eigentlich nichts zu tun haben. Weil so viel Raum für Entwicklung bleibt.
Interessant ist auch die sprachliche Ebene: Manche schwedischen Wörter wie „Kaffe“ oder „Kronor“ werden bewusst nicht ins Deutsche übertragen, obwohl es Äquivalente gäbe. Ein kleiner Kniff, der das Setting sehr präsent macht, aber zugleich etwas Künstliches erzeugt.
Alles in allem: Die Leseprobe wirkt noch etwas kantig, aber das Potential für ein spannendes Porträt über Selbstfindung, Unsicherheit und Nähe ist klar erkennbar.