Stimmungsvoller Roman, dem es leider an Spannung fehlt

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Das Cover von Beste Zeiten ist schlicht, aber spricht mich total an. Es weckt genau die Stimmung, die sich auch im Roman wiederfindet: Melancholie, etwas Frisches, künstlerische Aspekte.
Jenny Mustert rollt in Beste Zeiten das Leben der 21- und bald 22-jährigen Sickan auf, die zum Studieren nach Stockholm gezogen ist. Sie erzählt von Freundschaften, Familie, der Liebe und all den Zweifeln, die sie durch das Leben begleiten. Sickan will dazugehören, sich neu erfinden und merkt dabei, dass das Erwachsenwerden kein geradliniger Prozess ist, sondern eine Abfolge von Fragen, Rückschritten und kleinen Erkenntnissen.
Musterts Schreibstil erinnert mich stark an Sally Rooney: klug, modern und zugleich von einer stillen Melancholie getragen. Besonders eindrücklich gelingt ihr, Sickans Innenwelt lebendig zu beschreiben. Ihre Zweifel, Sehnsüchte und Gedankenschleifen wirken so echt, dass man sich als Leser*in leicht in ihr wiederfindet. Sie beschreibt weiterhin Ansätze ideologischer Argumentationen, die sich auch in Rooney Büchern wiederfinden. Viele Sätze bringen Gefühle auf den Punkt, die man selbst kennt, aber nie so treffend hätte formulieren können. Die einfache, klare Sprache mit ihren unaufgeregten Dialogen sorgt dafür, dass man nur so durch die Seiten fliegt.
Spannend gestaltet Mustard die Darstellung der Freundschaftsdynamiken. Die Kontraste zwischen Sickan und ihrer Freundin Hanna wirken vertraut und echt - eine Mischung aus Nähe, Reibung und gegenseitigem Antreiben, die Mustert mit großer Sensibilität beschreibt. Auch die Nebenfiguren tragen zur glaubwürdigen Atmosphäre bei, auch wenn sie im Vergleich zu Sickan etwas blasser bleiben.
Thematisch verwebt Mustert persönliche Entwicklung mit gesellschaftlichen und ideologischen Fragen, ohne belehrend zu werden. Das macht den Roman besonders relevant für junge Menschen, die zwischen Selbstsuche und Weltverständnis schwanken.
Die Rückblenden in Sickans Kindheit, die teils unvermittelt auftreten und den Lesefluss unterbrechen helfen, die als Menschen besser zu verstehen.
Was Beste Zeiten inhaltlich vielleicht an erzählerischer Innovation vermissen lässt – die Grundidee bleibt dem Coming-of-Age-Genre treu –, gleicht es durch emotionale Genauigkeit, psychologische Tiefe und atmosphärische Dichte aus.
Am Ende bleibt ein Gefühl der Nähe: Man fühlt sich verstanden. Gerade, wenn man selbst in den Zwanzigern steckt, spürt man, wie ehrlich dieses Buch mit den Themen Zweifel, Unsicherheit und Selbstfindung umgeht. Denn die „besten Zeiten“ sind oft gar nicht so einfach – und genau das zeigt Jenny Mustert auf eindringliche, einfühlsame Weise.
Fazit:
Ein feinfühliger und klug geschriebener Roman über das Erwachsenwerden, der durch seine emotionale Ehrlichkeit überzeugt – auch wenn die Geschichte keine neuen Wege geht.