Zwischen Sehnsucht und Selbstinszenierung

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nicci1706@yahoo.de Avatar

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Schon nach den ersten Seiten von Joana Junes BESTIE war ich völlig gefangen von der dichten, pulsierenden Atmosphäre, die das Buch aufbaut. Die Leseprobe wirkt wie ein Spiegel unserer hypervernetzten Zeit, in der Identitäten so leicht gewechselt und gleichzeitig so verzweifelt gesucht werden.

Wir begleiten Delia, die sich selbst in Lilly verwandelt — ein faszinierender, fast unheimlicher Akt der Selbsterschaffung. Ihre Gedanken kreisen unaufhörlich um die Frage, wie sie in die perfekte Welt von Anouk passen könnte: eine Welt, die glänzt, kuratiert ist und in der jedes Detail — von den Pflanzen in der Küche bis zum Instagram-Post — kontrolliert scheint. Der Schreibstil ist dabei schneidend präzise und gleichzeitig poetisch, mit Sätzen, die so tief unter die Haut gehen, dass ich sie mehrmals lesen musste, um all die Schichten zu begreifen.

Besonders beeindruckend ist die schonungslose Ehrlichkeit, mit der Delia ihre Unsicherheiten und Sehnsüchte beschreibt. Sie will dazugehören, gesehen und bewundert werden — koste es, was es wolle. Gleichzeitig wirkt Anouk wie eine moderne Sirene: schön, erfolgreich, aber in ihrem Kern ebenfalls von Erwartungen und Oberflächlichkeit gefangen.

Das Zusammenspiel aus psychologischer Spannung, Selbsttäuschung und den feinen Beobachtungen der Autorin über unsere Gesellschaft macht BESTIE zu einem Buch, das ich unbedingt weiterlesen möchte. Es ist nicht nur ein Roman über Freundschaft oder das Erwachsenwerden, sondern vielmehr ein literarischer Blick in den Abgrund unserer digitalen Egos.

Ich wünsche mir, dieses Buch zu gewinnen, um tiefer in Delias (oder Lillys) Kopf einzutauchen, ihre Wandlungen mitzuverfolgen und herauszufinden, ob es ihr gelingt, die Grenze zwischen Selbstfindung und Selbstverlust zu überleben.