Gemischte Gefühle

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
elchi130 Avatar

Von

Delia will sich neu erfinden, wenn sie nach Hamburg zieht. Sie hofft, dass sie ein Zimmer in der WG der angesagten Influencerin Anouk, die sie bewundert, bekommt. Tatsächlich klappt es. Ab sofort ist sie Lilly, Bühnenautorin, selbstbewusst und wunderschön. Nun muss sie nur noch die beste Freundin von Anouk werden und in ihren Freundeskreis aufgenommen werden. Zu Beginn scheint auch alles gut zu klappen. Denn auch Anouk hofft, dass sie von Lilly profitiert und über deren vermeintliche Connection einen Platz an einer Journalistenschule ergattern kann. Schnell nähern sich die beiden an, verbringen Zeit miteinander, führen vertraute Gespräche.
Die Geschichte, die die Autorin Joana June in „Bestie“ erzählt, hatte schnell eine Sogwirkung auf mich. Das offensichtlich oberflächliche Schillernde, zeigt sich sowohl darin, dass das Leben stets sofort fotografiert, upgeloaded und zur Story verarbeitet werden muss, was von allen Anwesenden geliked, geteilt und kommentiert werden muss. Es zeigt sich jedoch auch schon darin, was Anouk und ihre Freundinnen unternehmen. Welchen hippen Schuppen suchen wir heute auf, in welchem Edelrestaurant lassen wir uns heute sehen, wo findet die nächste Modenschau statt und wer ist alles dabei? Alles glänzt, alles ist oberflächlich, alles sieht nach Reichtum und vor allem cool aus.
Dabei muss alles natürlich wirken. Besonders das Aussehen, obwohl die Nase korrigiert ist, die Haut für Unsummen im Monat behandelt wird uvm. Die Autorin schafft es sehr gut, uns dieses Leben zu vermitteln, auch die Zwänge darin. Die Ängste, die entstehen, wenn die Frauen es nach oben geschafft haben. Der Wunsch nach Wahrhaftigkeit, Natürlichkeit, nach Liebe und Nähe.
Und doch habe ich mir beim Lesen manchmal mehr Tiefe gewünscht. Oft werden Themen nur angerissen, Fragen nur gestellt, Antworten höchstens angedeutet. Das hat mich unzufrieden zurückgelassen. Ich hätte gerne genauer hingesehen, tiefer geblickt.
Ein durchaus interessantes Buch, das mich jedoch mit gemischten Gefühlen zurückgelassen hat, weil ich mir einfach mehr gewünscht hätte.