Niemand ist, wer er vorgibt zu sein

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hersecretbooklove Avatar

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Bestie hat mich vollkommen überrascht, weil es modern, vielschichtig und echt wirkt. Die Geschichte handelt von zwei Frauen, Anouk und Delia, bei denen sich schnell eine Verbindung entwickelt. Aber nicht auf plakative Weise, sondern so, dass man sich in ihrem Zwiespalt unterwegs ganz ruhig wiederfindet. Es geht ums Leben online, um die Angst nach außen perfekt zu wirken, bis einem selbst klar wird, dass man sich nicht mehr spiegelt.

Die Beziehung zwischen ihnen ist keine übertriebene Freundschaft, sondern etwas Zwischenhängiges, das sich wahrscheinlich einige von uns schon gedacht haben. Kennst du das Gefühl, dich anzupassen, neu zu erfinden, nur um dazuzugehören? Und was passiert, wenn Nähe entsteht, während beides aus der Balance gerät? Joana June fängt dieses Spannungsfeld mit viel Fingerspitzengefühl und ohne Fehltritte ein. Man spürt: Hier sind zwei Menschen auf der Suche, nach sich selbst, nach Verbindung, nach einem Weg, den Druck auszuhalten.

Was mich besonders angezogen hat, ist die Eingebundenheit ins Jetzt, ins Digitale, ohne übertrieben zu wirken. Delia wird zu Lilly, Anouk lässt sie in ihr Leben und doch ist das nur der Anfang. Dahinter steckt eine Geschichte über Selbstzweifel und Selbstfindung, leise, aber nicht leblos. Die Figuren sind real genug, dass sie Schatten haben, und weich genug, dass man ihnen die Entwicklung abnimmt. Aber vielleicht sind sie doch nicht ganz so real, wie sie vorgeben zu sein. Wer schafft es, sich selber gegenüber zu stehen ohne zusammenzubrechen?

Der Stil fühlt sich frisch und gleichzeitig sorgfältig an. Es klingt nach jemandem, der genau weiß, was online leben mit uns macht, ohne dass er darüber eine These formuliert. Sondern einfach sehen will, was dabei passiert.