Wahnsinnig starkes Debüt

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jacky1304 Avatar

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„Bestie“ ist ein unglaublich gut geschriebener Roman über eine toxische Frauenfreundschaft, über Selbstinszenierung und über den Wunsch nach Veränderung.

Delia zieht zu Influencerin Anouk in die WG und stellt sich ihr als Lilly vor. Sie will den Umzug nach Hamburg dazu nutzen, um endlich die Frau zu werden, die sie seit jeher gerne wäre: erfolgreiche Bühnenautorin, selbstbewusst, unnahbar.
Die Freundschaft der beiden Frauen steht auf wackeligen Beinen, denn auch Anouk hat einige Geheimnisse.

Der Schreibstil von Joanne June hat mir wirklich gut gefallen. Er ist nicht immer leicht zu lesen, trotzdem sehr aussagekräftig. Es gibt viel „zwischen den Zeilen“ zu lesen.
Die Beziehung der beiden Frauen zueinander wurde realistisch und unbeschönigt beschrieben. Die Art wie Anouk und Lilly miteinander umgehen, ist auf jeden Fall toxisch. Es gibt viele Lügen, viele Geheimnisse, viel verletzendes Verhalten. Lilly möchte Anouk unbedingt gefallen und vergisst dabei, wer sie wirklich ist: verletzbar, sensibel und zurückhaltend.
Anouk gibt sich als starke, selbstbewusste, unabhängige Frau, ist aber auch von Dämonen getrieben, was sie durch ihren „perfekten“ Social Media-Auftritt und ihre Sportobsession zu verbergen versucht.

Aber auch die Nebencharaktere fand ich gut gelungen. Besonders Soho und Jamal sind sehr eindrucksvoll.

Bei einigen Passagen bin ich mir nicht sicher, ob ich sie (richtig) verstanden habe. Irgendwie macht es das Buch aber noch interessanter, weil sie mich im Nachhinein noch Grübeln lassen. Vielleicht war genau das die Intention.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich den Buchtitel richtig gut gewählt finde. Die Doppeldeutigkeit, die erst im Verlauf des Romans zum Vorschein kommt, hat mir total gefallen.

Das Ende hat mich irgendwie unbefriedigt zurückgelassen. Aber ehrlich gesagt, hätte ein anderer Ausgang wahrscheinlich unrealistisch gewirkt.

Alles in allem ein wahnsinnig starkes Debüt. Die Autorin hat großes Potenzial! Für alle Leser*Innen, die starke Protagonistinnen mögen und kein Buch über ein perfektes Leben lesen möchten, sondern die „gemeine“ Realität bevorzugen, ist „Bestie“ eine absolute Empfehlung.