„Wenn die Bestie zur Bestie wird“

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knightlyart Avatar

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Der Pola-Verlag macht hauptsächlich Bücher für junge Frauen, aber Bestie hat mich auch als 60-Jährige begeistert. Dieses Debüt ist mehr als ein Coming-of-Age-Roman oder eine Freundschaftsgeschichte – es ist ein intensiver, vielschichtiger Text, der gesellschaftliche Fragen mit psychologischer Tiefe verbindet.
Besonders eindrucksvoll fand ich die literarische Verschränkung mit Klassikern. So wird in Bestie auf Seite 229 ein Zitat aus Anton Tschechows Die Möwe rezitiert:

„Wenn du einmal mein Leben brauchen solltest, so komm und nimm es.“

Genau in diesem Satz finde ich viele Parallelen zwischen Die Möwe und Bestie. Denn auch bei Joana June geht es um Beziehungen, die zwischen Hingabe und Selbstaufgabe schwanken, um dieses gefährliche Versprechen, sich ganz hinzugeben – sei es aus Liebe, aus Loyalität oder aus dem Wunsch, gesehen zu werden. In Bestie hat dieses Motiv jedoch eine dunklere, modernere Färbung: Die Grenzen zwischen Zuneigung, Abhängigkeit und Machtspiel verschwimmen, und aus einem Angebot der Nähe kann rasch eine Einladung zur Selbstzerstörung werden.
Vor allem hat mir aber die gesellschaftskritische Seite des Romans gefallen. So geht es unter anderem um den Einfluss von Social Media, um Fragen nach Echtheit und Zugehörigkeit, um die Problematik von Schönheitsstandards, die gerade jungen Mädchen vermittelt werden, und um die zerstörerische Dynamik toxischer Beziehungen.
Fazit:
Bestie ist ein starkes Debüt, das inhaltlich wie sprachlich überzeugt. Es fordert, berührt und hallt nach – unabhängig vom Alter der Lesenden. Für mich ein Roman, der zeigt, wie aktuell und relevant Literatur sein kann, wenn sie sich traut, Grenzen zu überschreiten.