Rasanter Wissenschaftsthriller

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annajo Avatar

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In den USA gibt es eine neue Reality Show: SeaLife. Eine Gruppe aus Schauspielern und Wissenschaftlern kreuzt im Ozean und besucht verschiedene Inseln. Nach einer Flaute, die der Show schlechte Quoten beschert, empfängt das Schiff ein Notsignal von einem vermissten Boot in der Nähe einer bislang unerforschten Insel. Die Wissenschaftler und Schauspieler gehen nichtsahnend an Land ... doch nur zwei von ihnen überleben die Begegnung mit noch nie gekannten, aggressiven Arten auf sechs Beinen. Diese letzte Episode der Show ruft die U.S. Marine und den Präsidenten auf den Plan, die Militär und Wissenschaftler auf die Insel schicken, um die Lage zu sondieren. Dabei finden die Wissenschaftler heraus, das es sich bei dieser Insel um eine Evolutionsnische handelt, auf der sich seit Millionen von Jahren ganz andere Arten entwickeln konnten. Doch was bedeutet das für das Festland? Was würde passieren, wenn diese Arten die Insel verlassen würden?

Wider Erwarten hat mir dieses Buch ziemlich gut gefallen. Auf ein paar Schwächen muss man allerdings eingehen und diese lassen keine volle Punktzahl zu. Aber unterhalten wurde ich gut und kurzweilig. Das Buch beginnt mit einer fiktiven wissenschaftlichen Einleitung, die doch sehr gut recherchiert scheint. Darin geht es darum, wie heimische Arten sich schon immer gegen Invasoren, die überwiegend von Menschen eingeschleppt wurden, verteidigen mussten. Hier wird die Frage gestellt, was wäre, wenn Arten fähig wären, sich gegen Fremdlinge zu wehren. Dies ist ein guter und spannender Ausgangspunkt für die darauf folgende Geschichte. Allerdings ist es mir schwer gefallen, mir die Lebewesen direkt vorzustellen. Ihre Beschreibung, aber auch die Zeichnungen im Anhang, wirken doch sehr Sci-Fi- oder Alien-mäßig und dadurch für mich nicht immer realistisch. Andererseits gab es zu Zeiten der Saurier auch einige merkwürdige Spezies, die ich wahrscheinlich nie geglaubt hätte, wenn es nicht Fossilien davon gäbe. Auf jeden Fall aber weist das Buch ein unglaublich hohes, geradezu rasantes Tempo und sehr viel Spannung auf. Der Autor ist nicht zimperlich mit Splatterszenen und dem Tod von Charakteren, die man eigentlich für zentral gehalten hatte. Für die Menschen ist es ein einziger Wettlauf gegen die Zeit und die unbekannten Wesen wirken unbesiegbar überlegen. Mir haben tatsächlich des öfteren die Nackenhaare hochgestanden und ich glaubte, verwesenden Atem im Nacken zu spüren.
Die englische Ausgabe wird angepriesen als Mischung aus "Jurassic Park" und "Lost". Diesen Vergleich kann ich nicht beurteilen, da ich "Lost" nicht gesehen habe (Asche auf mein Haupt!). Aber das Buch erinnerte durchaus an manchen Stellen an "Jurassic Park". Um den Vergleich mit der englischen Ausgabe weiterzuführen: ich finde es gut, dass für die deutsche Ausgabe das gleiche Cover verwendet wurde. So kann man die Bücher im Laden besser identifizieren, auch wenn das Cover für ein deutsches Buch mit dieser Papierqualität und durch die glänzende Laminierung billig wirkt. Zudem scheint es ein Problem mit dem Abstand zum Rand gegeben zu haben, da das letzte E fast abgeschnitten wirkt. Für mich unverständlich ist besonders, warum einer deutschen Übersetzung ein englischer Titel gegeben wird, der nicht mit dem englischen Originaltitel übereinstimmt. Das Buch heißt im Englischen "Fragment", was schließlich zur Auflösung auch viel besser passt. Das scheint ein Trend in der Buchbranche zu sein, den ich überhaupt nicht verstehen kann.
Zu den Kritikpunkten: meiner Meinung nach dozieren die wissenschaftlichen Charaktere zu viel und zu irrelevant. Ich hatte das Gefühl, dass der Autor selbst ein paar kontroverse Hypothesen hat, die er einfach noch mit unterbringen wollte, die aber letztlich keinen Mehrwert für die Geschichte haben, wie beispielsweise Binswangers Polterabende. Zudem belehren sie auch ihre wissenschaftlichen Kollegen zu stark, die ja eigentlich - um als Experten ausgewählt worden zu sein - auf dem gleichen wissenschaftlichen Level sein sollten. Dass der Autor hier auf Zwang noch mehr wissenschaftliche Erläuterungen unterbringen wollte, begreift der Leser mit der Holzhammer-Methode. Des weiteren wird sehr deutlich, aus welcher Stadt der Autor stammt: Hollywood. Die Story gleicht manchmal sehr einem solchen Film und auch die Zutat "skrupelloser Wissenschaftler, der alles für die Aufrechterhaltung seiner Theorie tut" deutet in diese Richtung. Genauso wie der hohe Splatter- und Spannungsfaktor.

Abschließend kann ich aber sagen, dass ich von diesem Buch positiv überrascht war. Statt Monstergeschichte ist dieses Buch doch eher ein manchmal mehr, manchmal weniger gut durchdachter Wissenschaftsthriller. Das fiktive wissenschaftliche Vorwort sowie die fiktiven Anhänge aus wissenschaftlichen Publikationen fördern den positiven Eindruck. Ich habe mit diesem Buch einige spannende und atemlose Lesestunden verbracht und bereue es nicht.