Bewegend, informativ, wichtig: "Bis wir uns wiedersehen"

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florinda Avatar

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Catherine Baileys historischer Roman "Bis wir uns wiedersehen - Eine Mutter, ihre geraubten Kinder und der Plan, Hitler umzubringen" (in meinen Augen mehr eine - überaus gelungene - Mischung zwischen Sachbuch und biografischem Roman) hat gute Chancen, mein Lesehighlight 2020 zu werden.
Den Untertitel finde ich zwar etwas irritierend, denn er erweckt den Eindruck, die ihrer Kinder beraubte Mutter wolle sich am "Führer" rächen, bezieht sich jedoch auf den 20. Juli 1944. Dies ist aber neben einem Rechtschreibfehler mein einziger Kritikpunkt.
Das Buch verfügt über mehrere S/W-Fotos, einige Landkarten, Personenverzeichnis, Quellennachweise und am Ende einen Überblick, was aus den wichtigsten Personen wurde, wovon sich vor allem Letztgenannter als interessant und die Karten, aus denen Kriegsgeschehen und "Reiseweg" der Hauptperson ersichtlich waren, als hilfreich erwiesen.
Im Mittelpunkt des sich nur auf reale Personen beziehenden erzählten Geschehens stehen Fey von Hassell, Tochter des aufgrund seiner Verstrickung beim Staatsstreichversuch gegen das NS-Regime und Adolf Hitler hingerichteten Ulrich von Hassell und Ehefrau des Italieners Detalmo Pirzio-Biroli, sowie deren Kinder Corrado Pirzio-Biroli (* 25. November 1940) und
Roberto Pirzio-Biroli (* 25. Februar 1942), die alle 3 von 1944 bis 1945 Sippenhäftlinge der SS waren. Kurz nach der Gefangennahme wurden ihr die Söhne entzogen, später sollten sie unter anderen Namen zur Adoption freigegeben werden. Fey selbst wurde mit anderen verhafteten 20. Juli-Angehörigen von Himmler als Privatgeisel für den Fall der Niederlage gegen die Alliierten betrachtet.
Spannend und sachlich erfährt der Leser von einer gefährlichen Odyssee durch Italien, Österreich und Deutschland, während der Fey oft in Lebensgefahr gerät. Das Wissen, dass ihre kleinen Kinder sich in ihrem Alter äußerlich ständig verändern und ihre Erinnerungen verblassen, wodurch die Chance des Wiederfindens - sofern alle Beteiligten denn am Leben bleiben - , ständig geringer wurden, belastet sie sehr. Trotz des erwähnten Tons konnte ich am Ende die Tränen nicht unterdrücken.
Tiefe charakterliche Abgründe, feige Mitläuferschaft, menschliche Schwächen aber auch Ehrenhaftigkeit, Heldentum, Opferbereitschaft Treue und Zivilcourage werden beeindruckend geschildert. Viele aus unterschiedlichen Sparten bekannte Namen finden Erwähnung wie z. B. Tirpitz, Vermehren, Schuschnigg, Bonhoeffer, Pius XII, Rilke, Leon Blum, Graf Bernadotte, Eisenhower, Truman, Churchill sowie div. deutsche und italienische Faschisten.