Ein Buch außerhalb der Komfortzone

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gerwine ogbuagu Avatar

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Diese Geschichte ist schmerzhaft. Herzzerreißend. Bedeutend. Traurig. Einschneidend. Eigentlich gibt es kaum Worte, sie zu beschreiben. Starke Nerven braucht man Lesen dieses Tatsachenberichtes von Catherine Bailey. Wir erleben hier hautnah die Schicksale vieler Familienangehöriger von Widerstandskämpfern des 20. Juli 1944, die im Dritten Reich in sogenannte Sippenhaft genommen wurden. Bailey hat akribisch recherchiert um uns nahezubringen, was damals geschah. Im Fokus dieser Geschichte lesen wir, wie es der Tochter Fey des verurteilten Ulrich von Hassell, ihres Vaters, erging, nachdem er festgenommen, verurteilt und in Plötzensee hingerichtet wurde. wurde. Fey war inzwischen in Italien verheiratet mit Detalmo Pirzia-Biroli und lebte auf dem Familiensitz in Friaul, der Burg Brazza.
Ihr Ehemann war ebenfalls im italienischen Widerstand und arbeitete in Rom. Sie lebte allein mit ihren beiden Kindern und den zuverlässigen Bediensteten. Doch der lange Arm Hitlers verschonte sie nicht. Deutschland besetzte Italien und damit begann Feys Leidensweg.
Wir erfahren wie die Attentate auf Hitler misslangen und damit endeten, dass die Widerstandskämpfer festgenommen und grausam hingerichtet wurden. Währenddessen lebten bereits deutsche Offiziere im Familiensitz in Brazza.
Es ist bewundernswert, wie Bailey ihr Werk recherchiert und minutiös alle Tatsachen zusammengetragen hat, die zu dieser Zeit in Deutschland und der Welt geschahen. Fey und ihre Kinder geraten in die Mühle der Schergen Hitlers. Diese Schilderungen gehen ans Herz, auch wenn seitdem unzählige Berichte – Bücher, Filme – erschienen sind. Dies ist ein sehr persönliches, emotionales Werk. Bailey sprach auch mit dem ältesten Sohn Feys, um zu erfahren, was notwendig ist, um so ihr Werk zu vollenden. Das Buch enthält detaillierte Anmerkungen sowie Kartenmaterial, wo alles nachvollzogen werden kann, was damals geschah in diesem Zusammenhang ganz besonders mit der Familie Feys. Es ist ein ganz besonderes Werk, hautnah erleben wir das Leiden dieser über hundert Gefangenen in Sippenhaft und fragen uns, wie solches Leiden ertragen werden konnte. Die Aufenthalte in verschiedenen Konzentrationslagern zeigen den damals Beteiligten und uns, den Lesern, wie grausam Menschen sein können und sinnloses Leiden und Umbringen unschuldiger über die Welt gebracht haben. Auch in unserer modernen Welt geschehen Grausamkeiten, wenn auch nicht in industrieller Form wie damals unter dem mörderischen Regime Hitlers.
„Wehret den Anfängen“ wurde leider im gegenwärtigen Deutschland verpasst und der prophetische Ausspruch Brechts „…der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem dies kroch…“ ist leider wahr geworden. Baileys Buch ist ein wichtiges Werk der Gegenwart und wurde bereits 2019 in England enthusiastisch gefeiert. Dass das Buch in Deutschland erscheint, verdanken wir der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt. Für mich persönlich wird es das „Buch des Jahres“ sein. Es bleibt unvergesslich.