Herzzerreißender Zeitzeugenbericht

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dj79 Avatar

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Catherine Bailey gewährt uns einen Einblick in die grauenhaften Machenschaften des Nationalsozialismus. Der thematisierte überbordende Massenmord an Häftlingen in den Konzentrationslagern sowie die sadistisch motivierte körperliche und psychische Quälerei ebendieser sind nur zwei Oberbegriffe für einen Facettenreichtum an brutalen Handlungen, die nicht annähernd wahrnehmbar machen, was im Zweiten Weltkrieg an Missetaten begangen worden ist.

Lesend begleiten wir Fey von Hassell, die nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 aufgrund der Beteiligung ihres Vaters in Sippenhaft gerät. Nachdem man ihr die beiden Kinder entzogen und sie mehrere Wochen in einer Gefängniszelle eingepfercht hatte, beginnt ihre Odyssee durch das gesamte Reich. Gemeinsam mit Angehörigen der Familien Stauffenberg, Goerdeler und weiteren wird sie von einem Konzentrationslager ins nächste überstellt. Nie ist bekannt, wohin es geht, wie lange man dort verweilen wird, ob eine Hinrichtung droht.

Die Autorin trägt die verstörenden Erlebnisse der Sippenhäftlinge so nah an den Leser heran, dass er nicht anders kann, als körperliche Reaktionen zu zeigen. Zeitweise bestimmten schlimmes Herzklopfen und ein starkes Beklemmungsgefühl mein Lesen, so intensiv war die beängstigende Aufruhr in mir. Darüberhinaus bebt Catherine Bailey das Besser-gestellt-Sein der Sippenhäftlinge gegenüber den gewöhnlichen Häftlingen hervor. Die Bedeutung dessen entbehrt jeglicher menschlichen Vorstellungskraft.

Nicht ganz genrerein kann man „Bis wir uns wiedersehen“ zwischen Sachbuch und historischen Roman verorten, wobei hier das Historische den Roman ausmacht, und nicht das schnulzig Romantische. Trotzdem gibt es unglaublich rührende Momente im Buch, die mir die Tränen in die Augen trieben. Zusätzlich war zeitweise dermaßen viel Spannung im Spiel, das mancher Thriller hier in den Schatten gestellt wird.
Der Sachbuchcharakter spiegelt sich in der intensiven Recherche wider, die man der Autorin aufgrund der außerordentlichen Feingliedrigkeit der Quellen gern zugesteht. Technisch überaus clever empfand ich das Sprechen lassen der Zeitzeugen über ihre eigenen Zitate. Die dadurch vermittelte Glaubwürdigkeit ist unvergleichlich. Der Romancharakter entsteht für mich durch das Hineinversetzen in die Charaktere mit Hilfe der Rekonstruktion von deren Gefühlswelt.

Wenn man über diesen Teil unserer Geschichte liest, fühlt es sich falsch an, von Lesevergnügen zu sprechen. Trotzdem habe ich das Buch gern gelesen, weil es die Geschehnisse sehr plastisch aufarbeitet. Es ist eine interessante, gleichzeitig fesselnde Informationsquelle. Ein Buch, das man gelesen haben sollte.