Packend und berührend

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Bis wir uns wiedersehen, Historischer Roman von Catherine Bailey, 488 Seiten, erschienen bei wbg Theiss. Orginaltitel The Lost Boys.
Eine Mutter, ihre geraubten Kinder und der Plan, Hitler umzubringen.
Hier wird von Catherine Bailey die Lebensgeschichte von Fey von Hassell erzählt. Sie war mit einem italienischen Adeligen und Widerstandskämpfer verheiratet, Ihr Vater Ullrich von Hassell wurde wegen einer Beteiligung am Stauffenberg-Attentat gegen Hitler im Herbst 1944 hingerichtet. Fey wurde ihrer Kinder beraubt, deren Namen geändert und die an einem geheimen Ort gebracht wurden, sie machte eine Odyssee durch etliche Konzentrationslager (Stutthof, Buchenwald und Dachau). Eine dramatische Schilderung des Widerstands und des untergehenden tausendjährigen Reichs.
41 fesselnde Kapitel in angenehm großer Schrift teilten das Buch in gut lesbare Abschnitte. Zahlreiche Bilder beleben die Geschichte und es ist ein Leichtes sich die handelnden Personen vor Augen zu halten. Am Ende sind einige interessante Karten zu sehen, die dem Leser helfen, sich im Setting zu orientieren. Fußnoten sind mit * markiert, im Anhang sind ausführlich die Quellen und auch die handelnden Personen mit Seitenzahlen aufgeführt.
Dieses Buch hat mich einfach nicht losgelassen und ist mir sehr nahe gegangen, obwohl es am Anfang schwierig war in Lesefluss zu kommen. Die politischen Zustände, Familienzusammenhänge und die Aktivitäten der italienischen Partisanen und die umfangreiche Vorgeschichte haben mich nicht so sehr interessiert. Doch allmählich hat sich eine unheimliche Sogwirkung eingestellt. Ich musste mich, auch weil es mich so sehr berührt hat, dazu zwingen, das Buch aus der Hand zu legen und das gelesene zu verdauen und darüber nachzudenken. Unfassbar welches Leid und welche Ungerechtigkeit den Angehörigen, bzw. Sippenhäftlingen der Verschwörer vom 20. Juli, angetan wurden. Nebenbei und gerade auch das war es was mich zutiefst betroffen gemacht hat, die Schilderungen und Tagebucheinträge dieser Sippenhäftlinge über die Zustände in diversen Konzentrationslagern. Das ist ein Teil unserer Geschichte, der mich immer wieder ganz tief betroffen macht. Besonders hervorheben möchte ich auch die Reaktion, des damaligen Militärischen Berichterstatters und späteren Bundeskanzler H. Schmidt, sein Brief an die Witwe von Hassell über die Größe die ihr Gatte beim Prozess gezeigt hat. Das wusste ich nicht und es hat mich zu Tränen gerührt. Immer wieder musste ich pausieren, weil ich das Weiterlesen einfach nicht mehr ertragen habe. Natürlich hat auch das Schicksal von Corrado und Roberto, von Fey und Detalmo Pirzio-Biroli mich nicht ruhen lassen. Die Spannung war wirklich unerträglich. Ich wusste nicht, dass dieses Attentat so viele „Opfer“ hatte. Auch nach der Lektüre bin ich auf weiterführende Veröffentlichungen (z.B. Tagebuchberichte) der Verwandten, der betreffenden Verschwörer neugierig geworden. Sicher werde ich mich auch noch näher mit den Attentaten gegen den „Führer“, die immer wieder scheiterten befassen. Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Buch lesen konnte und bin stolz und froh, dass es solche Menschen gab, die sich trauten, dem NS Regime zu trotzen und dabei ihr Leben und das ihrer Angehörigen zu gefährden.
Die Figuren sind gut beschrieben, die Guten wie die Bösen sind hervorragend charakterisiert und ihr Handeln ist nachvollziehbar.
Die Autorin hat wirklich hervorragende Recherchearbeit geleistet, das merkt man in jedem Satz auch an den umfangreichen Quellenangaben. Eine bildhafte und flüssige Erzählweise in einer außergewöhnlichen Klarheit und Eleganz kann ich nur bestätigen. Ein Buch welches geschrieben werden musste, eine unbedingte Leseempfehlung und 5 verdiente Sterne.