Die Welt ist schön, weil du drauf bist

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Katja ist Drehbuchautorin und denkt sich normalerweise spannende Geschichten aus. Nur mit ihrer eigenen Lebensgeschichte scheint das nicht zu klappen. Nach dem Tod ihrer Schwester Lina haben sich die Eltern getrennt und der Vater nahm keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter auf. Ihre Mutter tröstete sich mit Alkohol und bürdete der damals Zwölfjährigen eine viel zu schwere Last auf. Inzwischen liegt diese Zeit mehr als ein Jahrzehnt zurück, aber Katjas Seelenleben hat sich noch nicht erholt. Mit Ratko führt sie eine „Nicht-Beziehung“, die beiden keinerlei Verantwortung abverlangt. Ihre einzige Freundin wohnt nicht mehr in der Nähe. Die offensichtliche Einsamkeit fordert einen hohen Preis, als Katjas Vater nach einem Schlaganfall im Koma liegt.

Betrachtet man die Charaktere in Catherina Junks komplexem Roman, fällt sogleich auf, dass keiner mit seinem Los zufrieden ist. Jeder arrangiert sich weitgehend mit seinen Erlebnissen. Nach Linas Tod zerbricht Katjas Familie. Die Mitglieder ziehen sich zurück, um still zu leiden. Der sich aufbauende Druck ist selbst beim Lesen spürbar. Aus Katjas Sicht wird dann die Sucht der Mutter beschrieben und wie sie selber eine Flucht aus dem Alltag schuf. Bemerkenswert feinfühlig geht die Autorin dabei vor und lässt ihre Figuren plausibel agieren. Die unaufhaltbare Katastrophe ist früh sichtbar, ohne einer Partei Schuld zuzuweisen. Ebenfalls ist in den vielschichtigen Charakteren ein Identifikationsmerkmal für den Leser zu finden, das sofort Neugier weckt. Nach wenigen Seiten schon, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Junks zweiter Roman erzählt von Einsamkeit mitten unter Menschen, falsch verstandener Schuld, Süchten, Wut, aber auch vom Willen alles zu ändern. Die veränderte Konstellation durch den Krankenhausaufenthalt des Vaters zwingt Katja dazu, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Der Blick auf sein Leben verdeutlicht ihr, was sie im tiefsten Inneren vermisst. Sie lernt, wieder auf andere zuzugehen und Verantwortung für sich zu übernehmen. Wie es sich für eine Drehbuchautorin gehört, spitzt sich auch dabei alles zu und es kommt zu einem emotionalen Feuerwerk.

Der bewegende Roman hat bei genauer Betrachtung kein abschließendes Ende. Das wirkt hier nicht störend, weil der Leser Katja eben nur auf diesem Stück ihres Weges begleitet hat. Man durfte ihr Umfeld kennenlernen und hofft nun, dass sie den eingeschlagenen Weg auch weiter folgt. Der Schwenk aus der Situation heraus führt aber auch dazu, dass das Gelesene weiter im Gedächtnis bleibt und nach dem Freuen auch zum Nachdenken anregt. Die gehäufte Tragik ist hier Teil der Unterhaltung, die den Roman zum Leseerlebnis werden lässt.