Idol vs. Realität

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Inhalt
Charlie ist Mitte zwanzig und arbeitet als Assistentin in der Presseabteilung eines großen Londoner Verlages. Früh hat sie eine traumatische Erfahrung machen müssen, aber dennoch studiert. Mit ihren beiden vermögenden besten Freunden Eddie und Ophelia lebt sie zusammen in einer WG. Als sie den dreißig Jahre älteren Richard Aveling, ihren Lieblingsautor, kennenlernt, glaubt sie an die Liebe auf den ersten Blick. Doch er ist verheiratet und sie müssen ihre Beziehung geheim halten. Beinahe von ihr unbemerkt ordnet Charlie ihm ihr ganzes Leben unter. Bis alles auffliegt …


Meinung
Mir hat der Roman in der Leseprobe sehr gut gefallen und das Thema ist wichtig. Zudem spielt er, wie ich dachte, in der Verlagswelt, der ich sehr zugetan bin. Aber leider muss ich gestehen, dass der berühmte Funke bei mir nicht recht übergesprungen ist. Die Handlung kam mir zu gemacht, zu konstruiert vor und die kleinen subtilen, eben toxischen Dinge, die er ihr antun soll, sind mir großflächig verborgen geblieben.
Zunächst haben wir Charlie, die Anfang zwanzig ist, ihre Geschichte selbst erzählt und mit sechzehn überraschend ihre Mutter verlor. Das wird sehr oft thematisiert und wer mit Trauer und Verlust nicht gut klarkommt, sollte nicht zugreifen. Ihre Mutter hatte einen Lieblingsautor, für den sie auch Charlie begeistern konnte. Es ist Richard Aveling, den Charlie am Beginn der Geschichte kennenlernt. Ja, sie fühlt sich geschmeichelt, aber es ist nie er als Person, den sie liebt. Es ist eine Art Abbild, der große Autor, von dem sie jedes Buch gelesen hat und der nur sie will. Sie mag ihn selbst aber nicht, seine Haut, die sich so alt anfühlt, wie er eben ist, nicht, den Geschlechtsverkehr nicht. Die Geheimhalterei, ihre Schuldgefühle seiner Frau gegenüber, das auf Abruf Bereitstehen nicht. Trotzdem macht sie alles mit – und nie ist recht zu verstehen wieso. Immer, wenn es dahingehend innerhalb der Handlung praktisch zum Stillstand kam, wurde wieder eine Erinnerung an die verstorbene Mutter herausgekramt. Aber all das allein mit ihr und dem leiblichen Vater, den Charlie nie kennengelernt hat und an den sie sich nicht erinnern kann, zu erklären, ergibt irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Hinzukommen ihre beiden Freunde Eddie und Ophelia. Die aus einer normalen Mittelschichtfamilie stammende Charlie könnte sich ein Leben in dieser Stadt und einen so unterbezahlten Job nie leisten, wenn nicht jemand anders die Rechnungen für sie bezahlen würde. Diesen Umstand rettet nur die wirklich toll geschilderte Freundinnen-Beziehung. Ophelia ist immer für sie da. Aber auch Richard gibt Geld für sie aus. Dass Charlie zudem an schweren Depressionen leidet und unkontrolliert schwere Medikamente einnimmt, ohne sich ernsthaft therapieren zu lassen, kann sie niemand anderem ankreiden. Richard macht ihr keine Versprechungen, er lügt noch nicht einmal, was seine Ehe anbetrifft. Ich sehe das Toxische einfach nicht. Ich sehe nur eine junge Frau, die eine sehr dumme Entscheidung getroffen hat, die sie dann aber nicht in der Lage ist zu korrigieren. Und Menschen um sich, die ihr helfen würden – und es tun! –, hat sie genug.
Am Ende gefiel mir, dass aufgezeigt wird, dass das Leben weitergeht und besser wird. Also kein dunkles, schwarzes Loch, aus dem man nie wieder herauskommt. Trotzdem wird es auch hier absurd. Die Geschichte versucht etwas, das andere sehr viel besser zu schildern verstanden haben.
Allerdings schreibt die Autorin sehr einehmend und genau. Ihre klare Ausdrucksweise nimmt jeden Leser mit. Nur dreht sie sich inhaltlich irgendwann zu sehr im Kreis, so dass kleinere Längen entstehen, die sich nicht so einfach überlesen lassen. Richard selbst als Figur war schon recht stereotyp, was die Sache dann auch extrem vorhersehbar macht. Dass es für Charlie beruflich nicht gut ausgehen kann, liegt auf der Hand. Aber auch hier hat die junge Frau sehr viel Glück. Insgesamt wirkt alles einfach zu gemacht, zu konstruiert. Da fehlt das echte Gefühl.
Auch wenn die Story bei mir nicht so recht gezündet hat, möchte ich sie dennoch weiterempfehlen, da das auch rein subjektiv sein kann.