Ein zu vertrautes mythologisches Dystopie-Gemisch

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Diese Buchprobe weckt starke Percy-Jackson-Vibes, allerdings in einer düsteren Post-Apokalypse. Die Prämisse ist sicherlich interessant: Wir befinden uns im Jahr 2090, die Welt wurde von "Titanen" überrannt, und nun schützen "spartanische Familien" mit übermenschlichen Kräften die verbleibende Menschheit.

Was mir positiv auffiel: Der erste Satz ("Wer bist du?", flüsterte mir eine weibliche Stimme ins Ohr) schafft sofort Spannung und macht neugierig. Die Welt hat einiges an Potenzial – eine Mischung aus griechischer Mythologie, Dystopie und Urban Fantasy. Die Beziehung zwischen Alexis und der giftigen Schlange Nyx hat durchaus ihren Charme und bietet etwas Wärme in dieser ansonsten trostlosen Welt.

Aber warum spricht mich das Buch trotzdem nicht an? Mehrere Gründe:

Der Stil fühlt sich stellenweise unausgereift an. Formulierungen wie "apocalypse core" oder "Ich nannte es Hölle" wirken etwas bemüht-cool. Die Beschreibung der Titanen mit ihren "rasiermesserscharfen Zähnen, schwarzen Venen, langen Klauen" bedient sich ziemlich abgenutzter Horror-Klischees.

Die Misshandlung von Alexis durch ihre Pflegeeltern wird beinahe beiläufig präsentiert: "Letzte Woche hatte ich Vater 'falsch' angeschaut, also fesselte er mich mit einem groben Seil". Diese Art von Trauma wird hier als Plot-Device eingesetzt, ohne die emotionale Schwere angemessen zu behandeln. Besonders irritierend finde ich die fast gleichgültige Haltung der Protagonistin zu diesem Missbrauch.

Zudem erscheint der Mix aus griechischer Mythologie und Dystopie tatsächlich als bereits mehrfach durchgespieltes Konzept - welches einfach nicht unbedingt mein Ding ist. Nach Percy Jackson, den Olympians-Romanen und zahlreichen anderen YA-Serien fühlt es sich an, als hätte ich diese Geschichte in Variationen schon zu oft gelesen.

Die Charakterisierung von Alexis als zehnjähriges Mathe-Genie mit Todessehnsucht, das eine übernatürliche Verbindung zu gefährlichen Wesen hat, wirkt wie eine Ansammlung von YA-Tropes ohne tiefere Ausarbeitung.

Das Buch könnte Leser*innen ansprechen, die düstere YA-Fantasy mit Horror-Einschlag mögen und sich nicht an den etwas klischeehaften mythologischen Elementen stören. Fans von "Tanz der Tiefenschatten" oder auch der dunkleren Seite der Shadow-and-Bone-Reihe könnten hier auf ihre Kosten kommen.

Letztendlich habe ich das Gefühl, dass hier zu viele bekannte Elemente zusammengewürfelt wurden: misshandelte Waisen mit besonderen Kräften, mysteriöse Herkunft (der weiße Strampler mit goldenen Buchstaben deutet offensichtlich auf eine wichtige Abstammung hin), Post-Apokalypse, griechische Mythologie und übernatürliche Gefährten. Das fühlt sich für mich zu vorhersehbar an und weckt wenig Neugier auf den weiteren Verlauf.