schön-traurig
„…glücklich und frei. […] Und genau das wollte ich für meine Töchter. Dass sie, egal welche bösen Überraschungen das Leben für sie bereithält – denn böse Überraschungen gibt es immer, so viel war mir klar –, überleben und einen Weg finden würde, glücklich und frei zu sein. […] Go lightly, geh leichtfüßig, das würde ich mir jetzt für sie wünschen.“
Weder leichtfüßig noch glücklich und frei meistern die vier Blue-Sisters in Coco Mellors neuem Roman ihr Leben. Ihre Kindheit ist geprägt von einer gleichgültigen, abwesenden Mutter und einem alkoholkranken und launischen Vater, der neben ebenjenem Wunsch seinen Töchtern nur die Veranlagung zur Sucht mitgibt. Diese führt bei Nicky, der mittleren Schwester, die an Endometriose und damit unter unsäglichen Schmerzen leidet, zum viel zu frühen Tod. Der Roman setzt ein Jahr später, an ihrem ersten Todestag ein. Mellors gibt uns die Möglichkeit, das Innenleben der drei verbliebenen Schwestern kennenzulernen. Wir nehmen abwechselnd deren Perspektive ein und erfahren, wie dieser unerwartete Verlust ihr Leben durcheinander bringt, sie isoliert und ihre Süchte verstärkt. Durch die Trauer und Schuldgefühle verlernen sie, das Leben zu leben.
„Alle hinterbliebenen Schwestern sind [verloren]. Doch was sie nicht wissen: Solange du am Leben bist, kannst du auch gefunden werden.“
Mellors zeigt eindrücklich, was unbewältigte Trauer in einem Menschen auslösen kann. Die Älteste der Schwestern, Avery, die vor 10 Jahren ihre Alkohol- und Drogensucht besiegt hat, kapselt sich vor Schuldgefühlen und den Druck der Erwartungen an sie als älteste Schwester und quasi Mutterersatz von ihrer Familie ab, verfällt in neue Süchte. Bonnie, die zweitälteste, die als Teenager ihr Glück, ihre Leidenschaft und Berufung im Boxen gefunden hat, gerät durch Nickys Tod in einen Schock, will sich den Schmerzen ergeben. Die Schattenseite von Profiboxer*innen, Einsamkeit und Abschottung, zehren sie nun auf und lassen sie vor allem fliehen. Das Baby Lucky, die jüngste und schönste, reist als Model um die Welt und lebt ihren Freiheitsdrang und ihre Unabhängigkeit aus. Partys, Alkohol und Drogen werden zu ihrem Familienersatz und betäuben ihren Schmerz.
Die drei Schwestern bringen uns mit ihren Erinnerungen und Gedanken Nicky näher, zeigen auf, welche Lücke sie in diesem Vierergeflecht hinterlassen hat. Alle vier Schwestern sind mir sympathisch, denn Mellors lässt uns hinter die Fassade blicken. Sie deckt auf, wohin Verlust, Trauer und Schuldgefühle führen können, und verbindet dies mit Suchtkrankheiten und Abhängigkeiten zwischenmenschliche wie körperliche. Der Aufbau der Geschichte hat mir sehr gefallen, ich war direkt bei den Vieren und habe gehofft, dass sie sich wiederfinden. Allerdings ist mir ihre sprachliche Ausdrucksweise mit Vergleichen und Metaphern (ich sag nur: Ziegenherde, Stachel und Rose) zu überladen. Je weiter ich kam, desto stärker ist mir ihr Faible dafür aufgefallen. Ein reduzierterer Einsatz der Stilmittel hätte dem Roman gut getan.
Fazit
Coco Mellors zeichnet eine Familie, die alles andere als glücklich und normal ist und durch den zu frühen Tod der Schwester weiter in Schräglage gerät. Eine tragische Dynamik entwickelt sich und offenbart bei den Protagonistinnen Verlustgefühle, Süchte, Schmerzen und vergrabenen Groll. Insgesamt eine schön-traurige Geschichte, die mich zum Lachen und Seufzen gebracht hat. Trotz kleiner Makel habe ich die Familie Blue gerne begleitet.
„Aber ihre Familie war nicht normal. Sucht floss durch ihre Adern wie Elektrizität durch einen Stromkreis.“
Weder leichtfüßig noch glücklich und frei meistern die vier Blue-Sisters in Coco Mellors neuem Roman ihr Leben. Ihre Kindheit ist geprägt von einer gleichgültigen, abwesenden Mutter und einem alkoholkranken und launischen Vater, der neben ebenjenem Wunsch seinen Töchtern nur die Veranlagung zur Sucht mitgibt. Diese führt bei Nicky, der mittleren Schwester, die an Endometriose und damit unter unsäglichen Schmerzen leidet, zum viel zu frühen Tod. Der Roman setzt ein Jahr später, an ihrem ersten Todestag ein. Mellors gibt uns die Möglichkeit, das Innenleben der drei verbliebenen Schwestern kennenzulernen. Wir nehmen abwechselnd deren Perspektive ein und erfahren, wie dieser unerwartete Verlust ihr Leben durcheinander bringt, sie isoliert und ihre Süchte verstärkt. Durch die Trauer und Schuldgefühle verlernen sie, das Leben zu leben.
„Alle hinterbliebenen Schwestern sind [verloren]. Doch was sie nicht wissen: Solange du am Leben bist, kannst du auch gefunden werden.“
Mellors zeigt eindrücklich, was unbewältigte Trauer in einem Menschen auslösen kann. Die Älteste der Schwestern, Avery, die vor 10 Jahren ihre Alkohol- und Drogensucht besiegt hat, kapselt sich vor Schuldgefühlen und den Druck der Erwartungen an sie als älteste Schwester und quasi Mutterersatz von ihrer Familie ab, verfällt in neue Süchte. Bonnie, die zweitälteste, die als Teenager ihr Glück, ihre Leidenschaft und Berufung im Boxen gefunden hat, gerät durch Nickys Tod in einen Schock, will sich den Schmerzen ergeben. Die Schattenseite von Profiboxer*innen, Einsamkeit und Abschottung, zehren sie nun auf und lassen sie vor allem fliehen. Das Baby Lucky, die jüngste und schönste, reist als Model um die Welt und lebt ihren Freiheitsdrang und ihre Unabhängigkeit aus. Partys, Alkohol und Drogen werden zu ihrem Familienersatz und betäuben ihren Schmerz.
Die drei Schwestern bringen uns mit ihren Erinnerungen und Gedanken Nicky näher, zeigen auf, welche Lücke sie in diesem Vierergeflecht hinterlassen hat. Alle vier Schwestern sind mir sympathisch, denn Mellors lässt uns hinter die Fassade blicken. Sie deckt auf, wohin Verlust, Trauer und Schuldgefühle führen können, und verbindet dies mit Suchtkrankheiten und Abhängigkeiten zwischenmenschliche wie körperliche. Der Aufbau der Geschichte hat mir sehr gefallen, ich war direkt bei den Vieren und habe gehofft, dass sie sich wiederfinden. Allerdings ist mir ihre sprachliche Ausdrucksweise mit Vergleichen und Metaphern (ich sag nur: Ziegenherde, Stachel und Rose) zu überladen. Je weiter ich kam, desto stärker ist mir ihr Faible dafür aufgefallen. Ein reduzierterer Einsatz der Stilmittel hätte dem Roman gut getan.
Fazit
Coco Mellors zeichnet eine Familie, die alles andere als glücklich und normal ist und durch den zu frühen Tod der Schwester weiter in Schräglage gerät. Eine tragische Dynamik entwickelt sich und offenbart bei den Protagonistinnen Verlustgefühle, Süchte, Schmerzen und vergrabenen Groll. Insgesamt eine schön-traurige Geschichte, die mich zum Lachen und Seufzen gebracht hat. Trotz kleiner Makel habe ich die Familie Blue gerne begleitet.
„Aber ihre Familie war nicht normal. Sucht floss durch ihre Adern wie Elektrizität durch einen Stromkreis.“