Nur noch blauer Himmel? Ein Albtraum …

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Warum dauerte es so lange, bis ich T. C. Boyle entdeckt habe? Wahrscheinlich weil er Amerikaner ist und ich von dort wenig Literatur wirklich toll fand – bei ihm liegt der Fall aber anders und das liegt auch an dieser Geschichte:

Es geht um eine kalifornische Familie, deren Tochter in Florida lebt, nicht von ungefähr zwei der Hotspots (nein, das war nicht mehrdeutig beabsichtigt, es passt aber zu gut) des Klimawandels in den USA – und genau diese Situation beschreibt Boyle: Tochter Cat in Florida versinkt im Wasser, der Rest der Familie schleppt sich von einer Brandmeldung zur nächsten. Beide „Parteien“ versuchen sich zu arrangieren, doch das scheint zunehmend aussichtslos und der Sohn der Familie, Cooper, bringt das aufs Tapet. Dass in dieser Konfrontation ein Tigerpython entwischt, ist da fast nur noch Garnitur …

Schon beim Titel begann ich unweigerlich „in mich reinzusingen“: Blue Skies … saw the sun shinin' so bright … things lookin' so right”, doch spätestens an der Stelle fragt man sich, ob unablässig blauer Himmel so verlockend ist – und genau das ist die Situation in dieser Geschichte, ein Tag die „Kopie des vorangegangenen“ … vermutlich liegt Boyle mit seiner in einer unbekannt nahen Zukunft spielenden Geschichte nicht schlecht (things lookin‘ so right …). Da sind diejenigen, die versuchen werden zu tun, was man ihnen empfiehlt (Mutter Ottilie) und die, die in Scheinwelten fliehen (Tochter Cat, die Influencerin sein will – „Was sonst?“, fragt man sich …) und die, die sich nicht mehr mit den äußeren Gegebenheiten abfinden wollen (Sohn Cooper) und die beiden anderen Gruppen miteinander konfrontieren. Das alles, einem Kammerspiel nicht unähnlich beschrieben – in Boyles unnachahmlichem ironisch-bissigen, aber irgendwie auch amüsiert-distanziertem Ton, der dem Leser klarmacht, dass Boyles Figuren letztlich nur Blaupausen sind für Figuren auf anderen Kontinenten, ja, vielleicht sogar für die eigene Umgebung. Wundersamerweise wirkt Boyle dabei nicht wie die unangenehme Sorte Zeitgenosse, die „Hab ich euch doch gesagt“ nölt, sondern ist so bitterböse und dabei so freundlich, dass man einfach nur denkt: Ja, so ist es bzw. wird es sein – und was tun wir?

Eine apokalyptische Geschichte für Menschen mit tiefschwarzem Humor …