Und wenn sie nicht gestorben sind, dann trinken sie noch heute

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angie99 Avatar

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Was tun, wenn die Klimakrise so weit fortgeschritten ist, dass Florida vom Meer wie auch vom Regen überschwemmt wird, während es in Kalifornien gar nicht mehr regnet? Die Protagonisten in T. C. Boyles neuestem Werk finden dafür ganz einfache Antworten: Drinks mixen und trinken, shoppen, Wein trinken, im Pool schwimmen, in die Bar gehen und trinken, Partys geben und dabei natürlich: den Alkoholpegel immer schön aufrechterhalten.

So überspitzt sich das anhören mag, der Bestsellerautor hält uns hier eigentlich nur einen Spiegel vor: wir sind verdammt privilegiert. Wir machen uns durchaus Sorgen, was das Klima angeht, wir kochen weniger Fleisch, wir fahren E-Autos, wir installieren Sonnenkollektoren – doch bitte nichts übertreiben, auf nichts verzichten, immer schön in der Komfortzone bleiben. Dass wir mit unserem Verhalten geradewegs in eine Katastrophe schlittern – nun ja, sei’s drum. Ändern kann man eh nichts.

Auf diese Weise ist „Blue Skies“ eine gekonnte Persiflage, apokalyptisch angelegt, aber so subtil und nahe an unserer Wirklichkeit, dass es wehtut.

Leider entwickelt sich die interessante Ausgangslage ab dem zweiten Teil zu einer Art familiärem Kammerspiel, in dem die Figuren ihre Schicksalsschläge – man ahnt es bereits – in noch mehr Alkohol ertränken. Dies alles vor den beiden immer grausiger werdenden Kulissen „Dürre“ und „Überschwemmung“, von Boyle wirklich beeindruckend beschrieben, aber ja, Mr Boyle, wir haben den Ernst der Lage mittlerweile verstanden, sie ist katastrophal, doch so wie wir uns im Theater an die Windmaschinen gewöhnen, wirken diese Kulissen mit Specialeffects auch in diesem Buch irgendwann ermüdend.

Enttäuschend für mich jedenfalls, dass sich die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge nur an der Oberfläche entwickeln.
Insekten sterben.
Ein Schreckensszenario, effektiv in Szene gesetzt.
Genialerweise ist Figur Cooper Entomologe, und ich erwartete von ihm, der angibt, den Durchblick zu haben, eine tiefergehende Beleuchtung dieser Problematik. Doch der Arme, er hat Schlimmes zu verkraften, keine Frage, und ach, was soll man(n) da schon tun, außer die Chancen beim weiblichen Geschlecht auszutesten und seine Sorgen mit einem Drink hinunterzuspülen? Ab und zu ein paar Insekten zählen ist noch drin. Nur für den interessierten Lesenden dummerweise ohne Ergebnis und ohne Belang.

Boyles einnehmendem Schreibstil ist es zu verdanken, dass ich nicht aufgegeben habe. Doch das Ende hinterlässt mich ratlos: Was will er mir nun damit sagen?

Wahrscheinlich dies: Wenn die Klimakrise weiter fortschreitet – wovon auszugehen ist – dann: Hoch die Gläser und Prost! Noch einen Drink, bitte!