Willkommen in der Zukunft

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owenmeany Avatar

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So what?

Was hat er nicht all schon für Themen beackert, der Bestsellerautor: Afrika-Expeditionen, Ernährungswahn, die Konflikte im Tierschutz, Biosphärenexperimente und den Erfinder des LSD. Ich habe sie mit Vergnügen gelesen und Erkenntnisse daraus gezogen.

Und nun also der Klimawandel, liegt ja momentan auf der Hand und bietet in seiner Komplexität ausreichend Stoff für ein Epos, bei dem schon die Frage, in welchen Rahmen man ihn eingrenzen kann, eine Herausforderung darstellt.

Wie Boyle diese jedoch Seite für Seite verschenkt, um eine Familienstory daraus zu basteln, die auf Klamauk und Effekthascherei hinausläuft, enttäuscht mich mit fortschreitender Lektüre immer mehr. Viel zu krass fokussiert er den Augenmerk der Leser auf immanent im Bewusstsein verankerte ekelerregende Gegenstände wie die Verarbeitung von Insekten zu Nahrungsmitteln und die Haltung von Schlangen als Haustiere mit erschütternden Konsequenzen, als dass sich dabei ein mentaler Mehrwert einstellen könnte.

So richtig Dynamik kommt in die Geschichte durch die privaten Katastrophen, der allgemeine Zustand der Umwelt bleibt Kulisse, wenn auch von allerstärksten Auswirkungen. Die sozialen Netzwerke üben ebenfalls ihren negativen Einfluss aus. Auf Seite 285 liest sich das folgendermaßen: "... als hätte das Weltgeschehen, verglichen mit dem, was sie durchmachte, auch nur eine Spur von Bedeutung."

Über wissenschaftliche Details informiert sich Boyle sorgfältig, das bin ich von ihm so gewöhnt. Er speist einen nicht mit Banalitäten und Gemeinplätzen ab, und das geht so weit, dass ich manche Fachausdrücke nachschlagen muss.

Die Protagonisten jedoch verhalten sich teilweise so selten dämlich, dass ich nur mit dem Kopf schüttele und denke, sie sind selber schuld. Sie ergehen sich in individuellen Lösungen oder richten sich in der aktuellen Lage ein, was die Welt ja auch keinen Millimeter vor dem Abgrund rettet. Von Politik ist absolut keine Rede!

Was will Boyle uns hiermit sagen? Auf mich hat es wie reiner Sarkasmus gewirkt. Trotzdem gebe ich dem Meister der Dramaturgie noch drei Punkte.