Enttäuscht

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alice pleasance Avatar

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So ungern ich es auch mache, ich schreibe jetzt die Rezension zu „Blut aus Silber“, ohne das Buch fertig gelesen zu haben. Das alleine sagt schon einiges über das Buch aus, aber nun der Reihe nach:

Cover und Leseprobe haben mir sehr gut gefallen und ich hatte gewisse Erwartungen an diesen Fantasy-Roman. Es geht um Zosia, eine Kriegerin, die nach 20 Jahren wieder zu den Waffen greift, um zu Ende zu bringen, was sie vor langer Zeit begonnen hat.

Als vor zwanzig Jahren der Kobaltblaue Krieg beendet wurde, tauchte Zosia, auch genannt die Kobaltblaue Königin, unter. Gemeinsam mit ihrem Ehemann baute sie sich ein einfaches Leben in einem abgeschiedenen Dorf auf. Dort lebten sie unbehelligt bis schließlich eine Armee des Scharlachroten Imperiums in ihr Dorf kommt, das Dorf zerstört und alle Dorfbewohner tötet. Auch Zosias Mann wird ermordet. Dadurch hat das Scharlachrote Imperium Zosias Zorn erneut geweckt und sie beschließt, sich für alles zu rächen, was ihr angetan wurde.

Die Welt, in der die Geschichte spielt, gefiel mir vom Konzept her sehr gut. Es handelt sich um einen Stern, der in Länder unterteilt ist. Es gibt verschiedene Mächte, die in komplexen politischen Verbindungen zueinander stehen. Das Scharlachrote Imperium ist eine von diesen und wird von einer Königin regiert. Neben den politischen Instanzen gibt es die Kette, eine religiöse Institution mit einer Päpstin als Oberhaupt. Auch die Kette besitzt nicht wenig Macht auf dem Stern. Die Ansätze für diese komplexen Machtgefüge mit allen wichtigen Personen und Institutionen finde ich ziemlich gut. Die Umsetzung ist allerdings nicht besonders gelungen. Ich hatte ständig das Gefühl, wichtige Dinge nicht zu wissen und hätte mir mehr Informationen zu allem gewünscht, da die Welt einfach so komplex scheint. Auch eine Karte zur Orientierung auf dem Stern wäre hilfreich gewesen. Das ist bei Fantasy-Romanen ja auch sehr verbreitet.

Aber nicht nur die Orientierung in der Welt (politisch sowie geografisch) fiel mir schwer, sondern auch die Orientierung in der Geschichte. Man bekommt meiner Meinung nach viel zu wenige Informationen über die Vergangenheit. Die Ereignisse vor zwanzig Jahren waren so wichtig und haben so viel Einfluss auf die Gegenwart – sowohl politisch als auch persönlich für die Figuren – und trotzdem erfährt der Leser kaum etwas darüber. Es wird oft etwas von damals aufgegriffen, mit dem man kaum etwas anfangen kann, da es nur sehr kurz und oberflächlich behandelt wird. Hierfür wären Rückblenden in Form von ganzen Kapiteln sehr sinnvoll gewesen. Dadurch hätte man als Leser nicht nur eine bessere Vorstellung von den Ereignissen damals, sondern würde auch die Figuren besser kennen lernen.

Damit komme ich nun zum nächsten großen Kritikpunkt, den Figuren. Ich konnte zu keiner der Figuren eine wirkliche Beziehung aufbauen, geschweige denn mich mit irgendeiner identifizieren. Zum einen sind es sehr viele Figuren, denen auch die einzelnen Kapitel gewidmet sind. Damit habe ich aber normalerweise kein Problem. Doch auch hier sind wieder die vergangenen Ereignisse das Problem. Alle haben eine komplexe Vergangenheit, haben viel erlebt und sind durch diese Zeit so geworden, wie sie eben jetzt in der Gegenwart sind. Normalerweise geht man in Büchern gemeinsam mit den Figuren oder zumindest dem Protagonisten auf eine Reise, während der er sich entwickelt. In „Blut aus Silber“ hatte ich das Gefühl, die Reise und somit die Entwicklung verpasst zu haben, da das ganze schon vor zwanzig Jahren gelaufen ist. Obwohl ständig Gefühle und Gedanken erzählt werden, konnte ich mich nicht in die Figuren hineinversetzen. Ich bin mit ihnen einfach nicht warm geworden und konnte die Handlungen nicht verstehen oder nachvollziehen. Und das alles, so schien mir, weil ich ihre Vergangenheit nicht (beziehungsweise unzureichend) kannte. Irgendwie waren sie mir alle mehr oder weniger unsympathisch.

Jetzt zum letzten Kritikpunkt, über den ich jedoch hätte hinwegsehen können, wenn die Geschichte und die Figuren mich denn wenigstens überzeugt hätten: der Schreibstil. Insgesamt wurde mir alles zu langatmig erzählt. Vieles war meiner Meinung nach uninteressant und unwichtig, wohingegen viele wichtige Dinge ausführlicher hätten erzählt werden müssen. Auch die Sprache fand ich nicht sehr ansprechend. Zu platt und teilweise zu vulgär, so dass sie keine angenehme Atmosphäre erzeugen konnte. Wie eben schon erwähnt, wurden oft die Gedanken und Gefühle der Figuren beschrieben. So sollten die Figuren für den Leser wahrscheinlich verständlich und nachvollziehbar dargestellt werden. Doch teilweise wurden Dinge dann so oft wiederholt, dass ich mich gefragt habe, für wie dumm (oder vergesslich) der Leser eigentlich gehalten wird. So viele andere Sachen hätten erzählt werden können, die wirklich wichtig und interessant gewesen wären, aber stattdessen bekommt man die gleichen Dinge immer und immer wieder erzählt. Zu guter Letzt gab es hin und wieder sehr seltsam unverständlich formulierte Sätze, die ich tatsächlich zwei Mal lesen musste, um den Sinn zu verstehen. Das kann allerdings auch an mangelnder Konzentration meinerseits gelegen haben, da mich die langatmige Erzählweise genervt und gelangweilt hat.

Ich sag wirklich ungern nur Schlechtes über ein Buch, aber es gibt leider nicht viel Gutes, was ich über „Blut aus Silber“ sagen kann. Die Grundidee finde ich wirklich gut und auch die Fantasy-Welt hat Potenzial. Doch leider wurde es nicht gut umgesetzt. Die komplexe Vergangenheit, die auch noch eine so große Rolle für alles und jeden spielt, macht die Geschichte einfach kaputt. Entweder hätte es einen Band davor geben müssen oder die Ereignisse hätten in ausführlicher Weise in diesem Platz finden müssen. Doch so konnte ich mich einfach nicht hineinfinden. Schade, denn der Roman schien so vielversprechend…