Sex, Drugs und viele Tote

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Das Buch "Blut will fließen" ist der Abschluss einer Trilogie über die vereinigten Staaten von Amerika in der Zeit von Vietnamkrieg, JFK, Flower Power, Martin Luther King und Richard Nixon und bietet viel Stoff für Verschwörungstheoretiker, die schon immer gewusst haben, dass das glänzende Gold des American Dream nur dünn auf einer Schicht von Müll aufgetragen ist.

Ellroy bedient sich dabei nicht nur schier unerschöpflicher US- und mittelamerikanischer Schauplätze, sondern zusätzlich der unterschiedlichsten Figuren: Rassen, Religionen, sexuelle Ausrichtungen, Drogen jedweder Art: Alles ist im Überfluss vorhanden. Für meinen Geschmack in zu großem Überfluss. Nach 300 Seiten hätte das Buch von mir höchstens einen Stern erhalten, weil es einfach viel zu viele Personen an viel zu vielen Orten mit viel zu vielen Hintergründen und Motiven gab und ich dadurch große Mühe hatte, den Überblick zu behalten. Dieser Umstand führte dazu, dass ich das Buch immer wieder entnervt zur Seite legte; - was natürlich die Sache mit dem Durchblick nicht besser machte.

Der Bruch erfolgte mit dem Tod einer Hauptperson. Das Buch wurde aufgeräumter, weil nicht mehr so viel Stränge in der Geschichte verwoben werden mussten und die durchaus schon vorher enthaltenen Spannungsbögen fokussiert wurden. Jetzt bekam die Story um die durch einen Überfall auf einen Werttransporter miteinander verbundene Personen, entwendete Smaragde und das ewige Grau im Gesicht von Gut und Böse mehr Fahrt und erschloss sich einer in der amerikanischen Geschichte nicht besonders bewanderten Rezensentin. Ich begann mit den noch lebenden Figuren mitzufiebern, verstand ihre Beweggründe (die Ellroy lange im Dunkeln ließ) und scherte mich nicht um die auf dem Schachbrett der Geschichte verlorenen Bauern. Von mehr Interesse waren die Damen und ein Springer, der sich später als Chronist der Ereignisse entpuppte.

Besonders interessant ist, dass Ellroy sehr viele "echte" Personen der Zeitgeschichte in seinem Buch agieren lässt, die - für ihn glücklicherweise, jedoch zum Unglück für die mit Rufmordklagen gerne beschäftigten Anwälte - alle schon gestorben sind: Ein Boxer, ein Schauspieler, ein Wirtschaftsmagnat, einige Politiker und der größte FBI-Agent. Auch diese zeigt er mit all ihren dunklen Seiten, auch hier gibt es keine Lichtgestalt.

Mein Fazit: Weniger wäre mehr gewesen. So musste ich mich durch die Hälfte des Buches kämpfen, obwohl es der Autor mit kurzen, prägnanten Sätzen und nicht zu ausufernden Kapiteln dem Leser noch relativ einfach macht, sein Opus zu erfassen. Die Abwechslung in den Schauplätzen, die verschiedenen Sichten der Figuren, die Telefon- und Tagebucheinschübe - alle schön und gut, aber hier zu oft benutzt. Der zweite Teil gefiel mir dafür richtig gut: Spannung bis zum Nägelkauen und ein Ende, welches zum Buch passt. Deshalb die drei Sterne als glorreiche Mitte.