100 % Spannung ab Seite 125

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marcello Avatar

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Aus dem Main wird die Leiche einer Jugendlichen gezogen, nach zwei Wochen ist deren Identität immer noch nicht geklärt, deswegen übernimmt das Dezernat K11 um Pia Kirchhoff und Oliver Bodenstein die Ermittlungen von einem brutalen Übergriff an der bekannten Fernsehmoderatorin Hanna Herzmann. Erst im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass die beiden Fälle mehr miteinander zu tun haben, als man im Vorfeld annehmen konnte.
„Böser Wolf“ ist bereits der sechste Fall der Kommissare Bodenstein und Kirchhoff. Seit dem ersten Fall begleite ich dieses Ermittlerduo und ich muss sagen, dass ich mich auch dieser Kriminalroman wieder restlos überzeugt hat. Vorweg kann ich schon sagen, dass ich einige Schwäche empfunden habe, die sich jedoch aufgrund der Genialität der restlichen Passagen wieder egalisierte.
Mein erster Kritikpunkt ist, dass die Geschichte selbst erst um Seite 125 so richtig losgeht. Wenn man den Roman beendet hat, kann man dies jedoch sehr gut nachvollziehen, da das genaue Vorbereiten auf einzelne Charaktere wichtig war, um die ganze Geschichte um die Ermittlung herum zu verstehen können. Für Leser, die aber das erste Mal bei Nele Neuhaus reinschnuppern, befürchte ich, dass es manche über diese Seitenzahl nicht herausschaffen, da es bis da eben doch sehr vor sich hin dümpelt.
Der Schreibstil ist wie immer sehr spannungssteigernd. Zum einen sind da wie schon in „Wer Wind sät“ die in Kursiv gehaltenen Rückblenden, die bis zur Hälfte des Kriminalromans zeitlich nicht einzuordnen sind. Dann sind da die personalen Passagen über einen Mann, dessen Name man auch erst im späteren Verlauf präsentiert bekommt. Zunächst war ich überrascht, dass die beiden Rätsel doch verhältnismäßig früh für einen Krimi gelüftet wurden. Am Ende stellte sich jedoch heraus, dass noch einige weitere Rätsel zu lösen waren.
Weniger gut fand ich schon, dass die Involvierung von Wolfgang Matern in den Fall schon sehr früh klar war, zwar nur durch einen kleinen Nebensatz („Die Besorgnis in seinem Blick war einer leisen Enttäuschung gewichen. Aber das bemerkte Hanna nicht.“)
Zu den weiteren positiven Aspekten gehört die Tatsache, dass wie immer das private Leben der Ermittler eine große Rolle spielte. Diesmal lag der Fokus da mehr auf Pias Privatleben, denn sie und ihr Lebensgefährte bekommen von dessen Enkeltochter Besuch aus Australien. Dieser Fokus liegt aber auch daran, dass sie ebenfalls eine große Rolle für den Verlauf der Geschichte spielt.
Zudem finde ich die Thematik, die Nele Neuhaus für diesen Krimi gewählt hat, nämlich Kinderpornographie, sehr gut. Das Thema ist immer wieder aktuell und immer wieder brisant, weil Kindesmissbrauch ja auch in Kreisen der Kirche vorkommt. Durch so einen Roman, der ja auch wieder auf den Bestsellerlisten zu finden ist, wird auch die Gesellschaft für so ein brisantes Thema sensibilisiert. Darüber hinaus wurde die Thematik auch nicht penetrant bearbeitet, sondern eher unauffällig. So waren die Szenen von Emma und ihrer Tochter Luisa sehr realitätsnah beschrieben, ohne aber, dass es so wirkt, dass der Fokus auf den brutalen Auswirkungen von Missbrauch liegen soll.
Aufgrund meiner aufgelisteten Aspekte kann ich nur sagen, dass ich dem Krimi „Böser Wolf“ sehr gerne 5 Sterne gebe. Die kleinen Schwächen konnte ich durch die Hochspannung auf den restlichen 300 Seiten sehr leicht verzeihen und somit kann ich den Roman nur allen Kriminalfans empfehlen. Und die, die Nele Neuhaus noch nicht kennen, kann ich nur motivieren, die eher langweiligeren ersten 125 Seiten durchzuziehen, der Rest wird es definitiv entlohnen!