Böse Gutmenschen

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"Böser Wolf" ist Nele Neuhaus das sechste Buch mit dem Ermittler-Duo Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein.

Im Prolog lernt der Leser "ihn" kennen, der auf ein junges Mädchen wartet, dass er liebt. Früher war er scheinbar erfolgreich und hatte Geld, jetzt muss er in einer Frittenbude aushelfen und Pfandflaschen sammeln, um finanziell über die Runden zu kommen. Außerdem berät er Menschen "die Ärger mit dem Amt" haben und lässt sich diese Dienstleistung bezahlen.
Dann startet die Haupthandlung am10.Juni 2010 damit, dass ein totes Mädchen aus dem Main gezogen wird. Pia Kirchhoff, die gerade befördert wurde, muss direkt von ihrem Abi-Treffen zum Tatort, da ihr Chef Oliver von Bodenstein Urlaub hat und nicht erreichbar ist. Das Mädchen wurde über einen längeren Zeitpunkt misshandelt und war auch schon länger im Main. Die betrunkenen Jugendlichen, von denen eine das Mädchen entdeckt hat, können also nichts mit der Toten zu tun haben. Alle Ermittler des K11 tappen zunächst im Dunkeln, denn niemand hat das Mädchen vermisst gemeldet und scheinbar kennt sie auch niemand oder hat sie gesehen...Erst als Oliver von Bodenstein und Pia Kirchhoff die Ermittlungen im Fall der Moderatorin Hanna Herzmann aufnehmen, scheint auch in den Fall des toten Mädchens Bewegung zu kommen. Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang oder ziehen die Ermittler nur falsche Schlüsse? Und warum bleibt das Mädchen weiterhin unbekannt?

Auch im sechsten Krimi vertraut Nele Neuhaus auf ihr bisheriges Konzept. Der wechselnde Fokus auf einzelne Protagonisten, Zeitrückblenden, kurze Einblicke in die Gedankenwelt der beteiligten Personen und ein interessantes Thema sorgen dafür, dass der Leser beim lesen viele Informationen erhält und sich mal mehr mal weniger ein Bild der verschiedenen Charaktere machen kann. Damit erhält der Leser allerdings auch in bestimmten Bereichen einen Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern und tappt nicht ganz so sehr im Dunkeln wie diese. Dieses nimmt insgesamt ein wenig die Spannung, denn die Anzahl möglicher Tatverdächtiger, zwischen denen der Leser hin und her schwingt, ist relativ gering. Dabei ist die Anzahl der Protagonisten durchaus nicht gering. Das Buch ist dank des flüssigen Schreibstils und der Art des Krimiaufbaus leicht und schnell zu lesen, wenn es einem erst einmal gelungen ist, die einzelnen Charaktere auseinander zu halten. Die Auflösung des Falles ist zwar gelungen, allerdings gibt es aufgrund des vorherigen Aufbaus wenig bis keine Aha-Effekte.

Ich habe alle Vorgänger- Krimis rund um Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein gelesen und ja, ich bin Fan dieser Krimi-Reihe, in der sich Nele Neuhaus meiner Meinung nach bis "Schneewittchen muss sterben" von Krimi zu Krimi gesteigert hat. Allerdings konnte mich der fünfte Band "Wer Wind säht" nicht ganz so überzeugen. Vielleicht habe ich mir deshalb soviel Zeit gelassen, bis ich den sechsten Band gelesen habe. Von diesem war ich relativ schnell "gefangen" und konnte das Buch nicht so leicht zur Seite legen, wenn ich einmal mit Lesen angefangen hatte.
Allerdings war ich ab einem bestimmten Punkt etwas "enttäuscht", weil mir relativ früh klar wurde, wer auf keinen Fall der Täter ist und wo die wahren Täter zu finden sind, auch wenn mir noch nicht alle Beteiligten klar waren. Dieses ist nicht wirklich gut für einen Krimi und zumindest mir ist das bei den Vorgänger so nicht passiert. Die Lust dann weiter zu lesen entstand dann hauptsächlich aus der Motivation, dass ich wollte, dass man die Beteiligten (endlich) erwischt. Das Thema selbst hat mich nämlich ganz schön berührt und stellenweise fassungslos gemacht. Einige kleine Überraschungen gab es für mich am Ende zwar doch noch, aber nichts womit nicht wirklich zu rechnen war. Insgesamt finde ich, dass sich in diesem Band, die beiden Hauptdarsteller irgendwie (wieder) auseinander entwickelt haben, was ich irgendwie schade finde. Und mir war am Ende des Buches die "Superliebe" die Pia zu Lilly, der Enkelin ihres Freundes, entwickelt hatte irgendwie suspekt. Im gesamten Buch gibt es wenige Episoden, wo Lilly und Pia Zeit miteinander verbringen und es ist dem Leser klar und es wird auch einige Male erklärt, dass Pia wenig zu Hause ist. Mir selbst blieb Lilly beim Lesen also eher fremd-es entstand keine "Bindung"-anders als übrigens zu Louisa. Woher kommt also diese plötzliche Liebe zu dem Kind, die im letzten Teil des Buches sehr betont wird? Anders als Pias Kollege Christian Kröger gehe ich nicht davon aus, dass jede Frau einen Mutterinstinkt hat. Vermutlich wollte Nele Neuhaus, dass der Show-Down des Buches dadurch spannender wird, im Prinzip hätte es das aber nicht gebraucht, denn mir war es wichtig, dass so kurz vorm Ende KEIN Kind mehr missbraucht wird oder stirbt. Vielleicht hätte man auch den gesamten Show-Down weglassen können, ich denke das Buch hätte ohne diese Dramatik genauso enden können, wie es endet-teilweise offen.
Trotz meiner Kritikpunkte habe ich das Buch sehr schnell und gern gelesen. Meiner Meinung nach ist es besser als "Wer Wind säht" aber es ist auf keinen Fall so gut wie "Tiefe Wunden" oder "Schneewittchen muss sterben". Ein lesenswerter Neuhaus-aber nicht der Beste.
Den siebten Band werde ich deshalb wohl auch lesen...aber nicht sofort ;)