Agneta lernt sich selber kennen … und lieben?

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sternzauber Avatar

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Das Cover von „Bonjour Agneta“ löst bei mir zwar keine besonderen Emotionen aus und es passt in meiner Wahrnehmung auch nicht in irgendeiner Weise ganz besonders gut zum Inhalt, aber es ist auch nicht schlecht gemacht. Der Inhalt ist meiner Meinung nach dagegen ziemlich außergewöhnlich…

Die Geschichte erzählt von der 49-jährigen Agneta, die sich völlig verloren und unsichtbar fühlt und die das Gefühl hat, als ob ihr Leben einfach still, leise und substanzlos vergeht. Ihre Kinder melden sich nur, wenn sie Geld brauchen und ihr Mann hat vollkommen andere Interessen und Vorstelllungen als sie, die sie aber irgendwie versucht mitzutragen. Doch dann meldet sie sich ganz spontan auf eine Zeitungsanzeige als Au-pair und findet sich kurz darauf in Frankreich wieder, wo sie sich vollkommen neu kennen und zum ersten Mal lieben lernt und wo sie beginnt ihr Leben zum ersten Mal selber in die Hand zu nehmen…

Ich muss gestehen, dass ich etwas gebraucht habe, um mich an den ungewöhnlichen Schreibstil und die durchaus unkonventionelle Geschichte zu gewöhnen, doch je mehr ich eingetaucht bin, umso faszinierter war ich. Agneta dabei begleiten zu dürfen, wie sie sich selber kennen lernt und entdeckt, wer sie eigentlich ist, was sie will und was ihr gut tut, hat mir sehr viel Freude bereitet. Sie ist mir als Person sehr sympathisch, dabei wirklich originell und in ihrem Verhalten oft urkomisch. Auch andere Charaktere haben skurrile und (leicht) verrückte Charaktereigenschaften, aber irgendwie macht sie das umso liebenswerter in der dargestellten Mischung und Gemeinschaft, so dass ich mich nach den Anlaufschwierigkeiten sehr wohl gefühlt habe.

Emma Hamberg schreibt flüssig leicht und die Geschichte wird aus Agnetas Sicht erzählt, was dem ganzen Geschehen zusätzliche Intimität schenkt. Und dann gab es manchmal ganz besondere Momente im Buch, die mich sehr überrascht und sehr berührt haben… Das waren Szenen, in denen die Protagonisten viel über ihr Seelenleben verraten und die Autorin wunderbare Bilder und Vergleiche dafür gefunden hat. Nicht nur eine Stelle habe ich mir da markiert, um sie jederzeit wieder finden zu können – wirklich toll!

Allerdings gibt es auch 2 Themen, die für meinen Geschmack deutlich zu intensiv thematisiert wurden. Ich denke, dass es der Geschichte gut getan hätte, wenn diese (ich verrate nicht, an welche Themen ich denke, um nicht zu viel vorweg zu nehmen) dezenter eingesetzt worden wären und glaube auch nicht, dass diese den Reiz der Geschichte wirklich unterstützen – maßvoller wäre hier mein Weg gewesen.

Dennoch gab es eine Reihe von Themen, die die Geschichte wunderbar getragen und ihr, bei aller Skurrilität und allem Charme, eine unerwartete Tiefe und gesellschaftliche Gültigkeit verliehen haben. Das Buch regt zum Nachdenken und Einfühlen an und hat mich mit einem Gefühl wundervoller Lebendigkeit und Lebenslust zurück gelassen. Daher empfehle ich dieses Buch all jenen LeserInnen, die Spaß daran haben Agneta auf ihrem Weg zu begleiten – viel Freude beim Lesen und Schlemmen in Frankreich!