Lebenslust und Selbstfindung

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gormflath Avatar

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Agneta führt ein sehr vorhersehbares Leben mit ihrem Mann in Schweden. Die Kinder sind längst aus dem Haus und melden sich nur, wenn sie Geld benötigen. Ihr Mann Magnus hat sein Leben der Gesundheit gewidmet und ist nur noch in Radlershorts oder Neoprenanzug zu sehen. In ihrem Job langweilt sie sich und ist auch noch für die Kollegen quasi unsichtbar. Und dank Magnus’ Gesundheitswahn sind Käse, Wein und Weißbrot auch für sie streng verboten. Das Leben zieht an ihr vorbei, das kann doch mit 49 Jahren nicht alles gewesen sein?
Spontan antwortet sie auf eine seltsame Zeitungsanzeige und findet sich kurz darauf in einem kleinen Dorf in der Provence wieder, um den alten dementen Einar zu pflegen. Das Abenteuer, das nur eine Flucht aus dem Alltag mit Wiederkehr sein sollte, entwickelt sich zur Geschichte ihres Lebens.
Agneta, die bisher nur im Geheimen gegen die Regeln ihres Ehemanns rebellierte, überrascht mit einer Vielschichtigkeit, die man beim Lesen zu Beginn nicht erwartet. Sie lernt neue Seiten an sich kennen und lieben und überrascht damit nicht nur sich selbst.
Auch Einar ist ein interessanter Mensch, der zu begeistern weiß. Seine Lebenserfahrung ist immens – auch wenn er aufgrund seiner Demenz nicht immer am aktuellen Geschehen teilhat. Agneta kommt für ihn genau zur rechten Zeit: Indem sie ihm zuhört und für ihn da ist, wird ihre geplante Auszeit immer mehr zu ihrem neuen Leben und sie erkennt, was ihr im bisherigen Leben fehlte.
Die Protagonisten mit ihren unterschiedlichen Lebenserfahrungen werden authentisch geschildert, so dass man sich mitten in die Provence hineinversetzt fühlt. Auch die schrullige ältere Dame Bonnibelle sowie Barbesitzer Fabien tragen lebhaft dazu bei, dass dies kein gewöhnlicher „Frauenroman“ geworden ist, sondern bei einigen Ereignissen mit ernsten Themen überrascht.
Mein erstes Buch der Schwedin Emma Hamberg hat mich sehr positiv überrascht. Der flüssige Schreibstil mit einer abwechslungsreichen und unterhaltsamen Geschichte bietet zwar viele amüsante Lesemomente, aber als Leser*in kann man so manches Mal selbst ins Grübeln kommen über die eigenen Lebensentscheidungen. Der Autorin ist hier ein heiterer Wohlfühlroman mit ernsten Handlungssträngen gelungen, der durch die persönlichen Lebenswegen der Protagonisten nie in Klischees abdriftet.
Für den Roman mit sprühendem Frankreich-Flair verteile ich gerne 5 Sterne!