(Schwestern)Liebesgeschichte

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marcello Avatar

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Emily Henry ist mir bis dato noch nicht bewusst ins Auge gefallen. Auch wenn mir ihre bisher in Deutschland veröffentlichten Bücher zeigen, dass sie offenbar schon ein Name ist, aber man kann eben nicht alles mitbekommen. Umso besser für Henry, dass dieses Buch, was mich nun mit ihr bekannt gemacht hat, „Book Lovers“ heißt, denn dort bin ich hängen geblieben, denn ich bin auch eine Buchliebhaberin und da hat mich das schöne Cover und die Beschreibung definitiv eingefangen.

Im Großen und Ganzen habe ich mit „Book Lovers“ und der Hörbuchausgabe, durch die ich wunderbar durch Christiane Marx geleitet wurde, ein Buch geschenkt bekommen, durch das ich Emily Henry jetzt definitiv im Auge behalten werde. Vielleicht war der Roman insgesamt einige Kapitel zu lang, weil ich manchmal gemerkt habe, dass ich bei inhaltlichen Dellen etwas abgeschweift bin, aber es gab auch echte Höhepunkte, die mich sehr nachdenklich gemacht haben und die mich auch stellenweise persönlich ins Herz getroffen haben, weil sie so nah an mir selbst und meinen Gedankengängen wirkten. Mir hat vor allem auch gefallen, dass es so sehr eine Liebesgeschichte wie auch eine Schwesterngeschichte war, was ich erst gar nicht so absehen konnte, aber Nora und Charlie als Enemies to Lovers haben genauso das Geschehen geprägt wie Nora und Libby als höchst unterschiedliche Schwestern. Mir hat aber auch extrem die Metaebene das Buchs gefallen, weil Nora als Literaturagentin, die beinahe auch schon längst eine Karriere als Lektorin eingeschlagen hätte, natürlich sehr analytisch an Geschichten herangeht, wie wir es als Rezensentinnen unweigerlich auch tun. Es war schon am Anfang extrem lustig, wie sie ihr Leben wirklich perfekt in den Klischees eines Buches analysierte und mich unterhält das immer sehr, wenn es dann eben ein Medium im Medium ist und großes Reflexionsbewusstsein beweist. Was am Anfang vor allem lustig und charmant ist, wird später eher tragischer, denn man merkt doch, dass Nora sich zu sehr in diesen Klischees verliert und dann eben auch den Menschen in ihrem Leben unterstellt, sie nur so eindimensional zu erleben. Dass sie das tut, habe ich menschlich gut nachvollziehen können, aber es war natürlich traurig, weil sie sich auch lange nicht in ihren Beziehungen fallen lassen und einfach ‚sein‘ konnte.

Die Entwicklung von Nora ist das Herz dieses Buchs, weil wir sie eben als Workaholic und Karrierefrau kennenlernen, doch irgendwelche Vorbehalte hatte ich nie gegen sie, denn man merkt von Anfang an ihr großes Herz. Es gibt ja die verschiedenen Sprachen von Liebe und Nora agiert definitiv über Taten und vor allem materielle Sachen. Davon kann man halten, was man will, aber sie lebt ihre Liebe wenigstens aus, vor allem eben ihrer Schwester Libby und deren Kleinfamilie gegenüber. Deswegen fand ich sie auch durchgehend eine angenehme Protagonistin, denn wer es nur gut meint, was soll ich denn dagegen haben? Ich fand es auch extrem spannend, dass Libby als die Jüngere aus Noras Perspektive etwas naiver und einfacher charakterisiert wurde und Nora als die Ältere, die mit dem benötigten Durchblick ist, die sie durchgebracht hat. Aber alles hat immer zwei Seiten und das hat man hier auch überdeutlich gemerkt, denn Libby weiß genau, was bei Nora los ist, angefangen bei dem etwas verklärten Blick, den sie zu ihrer zu früh verstorbenen Mutter hat, bis hin dann eben ins Jetzt hinein. Man kann auch bei Libbys Art, Nora eine Lektion zu erteilen, gewisse kritische Gedanken haben, aber es brauchte definitiv einen längeren Prozess und nicht Mission Brechstange, um bei ihr die Schichten der Verarbeitung wirklich aufzubrechen. Ja, die Schwestergeschichte mochte ich fast lieber als die Liebesgeschichte, aber gerade zusammen haben sie das Buch auch reich an unterschiedlichen Aspekten gemacht.

Charlie und Nora sind in ihrem Miteinander, was mit Kabbeln losgeht und schließlich in Funkensprühen mündet, ein übliches Trope, dessen ich aber einfach nicht müde werde. Ich habe mich von den Wortgefechten sehr gut unterhalten gefühlt, aber ich bin auch dahin geschmolzen, wenn sich beide im letzten Viertel auch sehr warmherzige Dinge sagen und damit endgültig beweisen, dass sie richtig füreinander sind, weil sie einander erkannt haben. Ihre Geschichte lebt natürlich auch durch den Ort Sunshine Falls. Dieser Urlaub an den Ort, der als Schauplatz eines Bestsellers fungiert hat, da musste ich irgendwie an klassische Weihnachtsfilme denken. Deswegen war es ein schöner Bruch, dass es in Sunshine Falls nicht utopisch war, sondern dass es eher das Gegenteil war, die liebevollen Seiten musste man erstmal finden. So wurde auch Stadt und Land gegeneinander ausgespielt und ich fand es gut, dass eben beides in seinen Vor- und Nachteilen dargestellt wurde. Letztlich beweisen beide Handlungsorte aber auch, dass es selten die Orte sind, die etwas zu einem Zuhause zu machen, sondern vorrangig die damit verbundenen Menschen.

Fazit: „Book Lovers“ hat ein paar Schlenker zu viel und schrammt immer mal wieder daran vorbei, zu langatmig zu werden, aber ansonsten habe ich einen inhaltsreichen Roman bekommen, der viele berührende Themen angepackt hat und eine ebenso schöne Liebesgeschichte zwischen Mann und Frau als auch zwischen zwei Schwestern erzählt.