Die Angst vor der vererbten Erkrankung
Leon Englers Roman erzählt von einem Mann, der mit der Angst lebt, selbst psychisch krank zu werden. In seiner Familie sind psychische Erkrankungen kein Geheimnis, sondern ein Erbe: Die Großmutter war manisch-depressiv, der Vater litt an schweren Depressionen, die Mutter an einer Alkoholabhängigkeit. Als ihre Wohnung zwangsgeräumt wird und alle Erinnerungen verloren gehen, steht der Sohn plötzlich ohne Halt da – zurück bleibt nur die Geschichte seiner Herkunft, die ihn nicht loslässt. Er verlässt Deutschland, lebt in New York und später in Wien, wo er Psychologie studiert und in einer psychiatrischen Klinik arbeitet. Zwischen Forschung und Selbstbeobachtung sucht er nach Antworten: Ist das, was in seiner Familie Generation für Generation aufbricht, unausweichlich? Oder kann man sich davon lösen?
Mehr als ein „wahnsinnig“ tolles Cover
Das Cover hatte mich richtig gecatcht, beim Klappentext war ich fasziniert und bei der Frage, wer schon einen „normalen“ Menschen kennen würde, war ich schon so bei der Thematik, dass ich Leon Englers Roman einfach lesen musste!!!
Beim Lesen musste ich an eine Parallele denken. Während meines Studiums habe ich mit einem Psychologiestudenten zusammengewohnt, der mir überrascht erzählte, wie viele seiner Kommilitonen selbst von psychischen Erkrankungen betroffen seien. Auch Leon Engler und sein Ich-Erzähler studierten Psychologie, letzterer aus Angst, selbst zu erkranken.
Leon Englers fundierte, jahrelange Recherchen erlauben ihm eine differenzierte, reflektierte und distanzierten Darstellung dieser psychischen Erkrankungen genau dort, wo Nüchternheit notwendig ist. Der Erzähler beschreibt das Leben seiner Familie mit analytischem Blick, ohne Selbstmitleid oder Überhöhung. Er geht auf die Gefühle seiner Mutter ein, auf deren Verzweiflung angesichts der Todessehnsucht ihrer eigenen Mutter, bleibt aber bei sich zurückhaltend. Diese Distanz wirkt nicht kalt, sondern wie ein Schutz, der überhaupt erst ermöglicht, das Thema auszuhalten.
Auch die Schilderungen seiner Arbeit in der psychiatrischen Klinik sind für mich sehr realitätsnah, jedenfalls so stelle ich es mir jedenfalls aus Therapeutensicht vor, und so empfinde ich es auch beim Lesen. Sie wirken glaubwürdig, von Empathie getragen und aus einer reflektierten, professionellen Perspektive geschrieben.
Das passt zu Leon Englers eigener Aussage, er habe das Buch geschrieben, um sich während seiner Ausbildung als Psychotherapeut mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Ihn habe interessiert, warum Menschen psychisch krank werden, und welche Rolle dabei familiäre Strukturen, Vererbung und gesellschaftliche Erwartungen spielen. Er wollte zeigen, dass seelische Erkrankungen nicht nur individuelles Leid, sondern auch Ausdruck einer bestimmten Umgebung sind. Besonders betont er, wie wichtig es ist, sich als Mensch wie als Therapeut den eigenen familiären Mustern zu stellen. Bevor man die Geschichten anderer verstehen will, müsse man die eigene begreifen.
Der Roman ist aber keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine berührende Geschichte mit Figuren, die ich mir leicht vorstellen konnte. Er liest sich flüssig, die Sprache gut verständlich mit genau der richtigen Prise (Galgen-) Humor und Ironie. Die Rückblenden sitzen an den richtigen Stellen und machen Leons Gegenwart, seine Gefühle und Handlungen nachvollziehbar.
Ich halte es für außerordentlich mutig, ein so persönliches Buch zu veröffentlichen und dem Ich-Erzähler sogar den eigenen Namen zu geben. Das schafft Nähe, birgt aber auch das Risiko, mit der Figur verwechselt zu werden. Ein Schritt, den der Autor ganz bewusst geht. Für mich leistet Leon Engler etwas Bedeutungsvolles. Er rückt psychische Erkrankungen ins Licht, wo sie bereits sind und hingehören, mitten in die Gesellschaft, enttabuisiert, auf Augenhöhe mit jeder anderen Krankheit. Dafür habe ich großen Respekt.
Ich wünsche dem Ich-Erzähler (😉), dass er bei der Stabilität bleibt, mit der das Buch endet. Gerade weil er sich so intensiv mit seiner Geschichte auseinandersetzt, bevor er überhaupt erkrankt ist, schließt das Buch an einem hoffnungsvollen Punkt. Als Plädoyer für Offenheit, Selbstreflexion und Verständnis im Umgang mit psychischen Erkrankungen.
Mehr als ein „wahnsinnig“ tolles Cover
Das Cover hatte mich richtig gecatcht, beim Klappentext war ich fasziniert und bei der Frage, wer schon einen „normalen“ Menschen kennen würde, war ich schon so bei der Thematik, dass ich Leon Englers Roman einfach lesen musste!!!
Beim Lesen musste ich an eine Parallele denken. Während meines Studiums habe ich mit einem Psychologiestudenten zusammengewohnt, der mir überrascht erzählte, wie viele seiner Kommilitonen selbst von psychischen Erkrankungen betroffen seien. Auch Leon Engler und sein Ich-Erzähler studierten Psychologie, letzterer aus Angst, selbst zu erkranken.
Leon Englers fundierte, jahrelange Recherchen erlauben ihm eine differenzierte, reflektierte und distanzierten Darstellung dieser psychischen Erkrankungen genau dort, wo Nüchternheit notwendig ist. Der Erzähler beschreibt das Leben seiner Familie mit analytischem Blick, ohne Selbstmitleid oder Überhöhung. Er geht auf die Gefühle seiner Mutter ein, auf deren Verzweiflung angesichts der Todessehnsucht ihrer eigenen Mutter, bleibt aber bei sich zurückhaltend. Diese Distanz wirkt nicht kalt, sondern wie ein Schutz, der überhaupt erst ermöglicht, das Thema auszuhalten.
Auch die Schilderungen seiner Arbeit in der psychiatrischen Klinik sind für mich sehr realitätsnah, jedenfalls so stelle ich es mir jedenfalls aus Therapeutensicht vor, und so empfinde ich es auch beim Lesen. Sie wirken glaubwürdig, von Empathie getragen und aus einer reflektierten, professionellen Perspektive geschrieben.
Das passt zu Leon Englers eigener Aussage, er habe das Buch geschrieben, um sich während seiner Ausbildung als Psychotherapeut mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Ihn habe interessiert, warum Menschen psychisch krank werden, und welche Rolle dabei familiäre Strukturen, Vererbung und gesellschaftliche Erwartungen spielen. Er wollte zeigen, dass seelische Erkrankungen nicht nur individuelles Leid, sondern auch Ausdruck einer bestimmten Umgebung sind. Besonders betont er, wie wichtig es ist, sich als Mensch wie als Therapeut den eigenen familiären Mustern zu stellen. Bevor man die Geschichten anderer verstehen will, müsse man die eigene begreifen.
Der Roman ist aber keine wissenschaftliche Abhandlung, sondern eine berührende Geschichte mit Figuren, die ich mir leicht vorstellen konnte. Er liest sich flüssig, die Sprache gut verständlich mit genau der richtigen Prise (Galgen-) Humor und Ironie. Die Rückblenden sitzen an den richtigen Stellen und machen Leons Gegenwart, seine Gefühle und Handlungen nachvollziehbar.
Ich halte es für außerordentlich mutig, ein so persönliches Buch zu veröffentlichen und dem Ich-Erzähler sogar den eigenen Namen zu geben. Das schafft Nähe, birgt aber auch das Risiko, mit der Figur verwechselt zu werden. Ein Schritt, den der Autor ganz bewusst geht. Für mich leistet Leon Engler etwas Bedeutungsvolles. Er rückt psychische Erkrankungen ins Licht, wo sie bereits sind und hingehören, mitten in die Gesellschaft, enttabuisiert, auf Augenhöhe mit jeder anderen Krankheit. Dafür habe ich großen Respekt.
Ich wünsche dem Ich-Erzähler (😉), dass er bei der Stabilität bleibt, mit der das Buch endet. Gerade weil er sich so intensiv mit seiner Geschichte auseinandersetzt, bevor er überhaupt erkrankt ist, schließt das Buch an einem hoffnungsvollen Punkt. Als Plädoyer für Offenheit, Selbstreflexion und Verständnis im Umgang mit psychischen Erkrankungen.