Ein anstrengendes Buch

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Der Romanerstling von Leon Engler ist ein Buch, das ich mit einer Mischung aus Neugier, Faszination, Ekel und Abwehr gelesen habe.
Der Autor beschreibt, vermutlich autobiographisch, seine Kindheit und vor allem seine Eltern und Großeltern. Es könnte eine Familiengeschichte wie viele andere sein, doch in dieser Familie ist nichts „normal“. Mit einem sezierenden Blick und seine Protagonist*innen immer wieder umkreisend erfahren wir von Armut, Trunksucht, Wahnsinn, Depressionen und wirtschaftlichem Scheitern. Das ist quälend zu lesen, und man glaubt dem Autor, dass er mit dieser Vorgeschichte panische Angst davor hat, selbst erblich belastet zu sein und ein ähnliches Schicksal zu erleiden, wie seine Vorfahren. Das Gegenteil tritt ein: Er studiert Psychologie und arbeitet in einer Psychiatrie quasi auf der anderen Seite.
Das ist nicht linear erzählt, vor allem nicht das Erwachsenwerden unter den Bedingungen dieser Familiengeschichte. Dadurch verliert man leicht den Überblick über das Personal, zumal sich bei der Mutter Phasen von Vitalität und erfolgreichem Leben abwechseln mit Phasen der Haltlosigkeit und des Absturzes.
Ein sehr gelungenes Cover weist auf die Problematik des Buches hin: doppelköpfige Wesen, halb Vogel, halb Pflanze, in leuchtenden Farben, die es schwer machen zu sagen, was ist. Und diese Unfähigkeit, zu benennen, was wirklich ist, prägt auch die Familiengeschichte.
Alles in allem eine schwierige, aber lohnende Lektüre.