Eine etwas andere Familiengeschichte

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gisel Avatar

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Dem Erzähler bleibt nach der Zwangsräumung der Wohnung seiner Mutter nur der Abfall der eigenen Familiengeschichte, denn durch eine Verwechslung wurde alles von Wert in die Müllverbrennungsanlage gebracht. Das Wenige, was er noch erinnert, zeigt einen Stammbaum des Wahnsinns, denn alle seine Vorfahren waren psychisch erkrankt: die Großmutter bipolar (mit noch einer ganzen Menge weiterer Diagnosen), zwölf Suizidversuche, der Großvater auffallend oft in Steinhof, die Mutter Alkoholikerin, der Vater depressiv. Zwischen all seinen Erinnerungen schimmert die Angst durch, selbst verrückt zu werden. Er landet schließlich in der Psychiatrie – als Psychologe. Hier lernt er seine Patienten und ihre Geschichten aus einem anderen Blickwinkel kennen, ihre Diagnose wird weniger wichtig als das Zuhören.

Das Buch ist nicht einfach zu lesen, mit all den psychischen Erkrankungen in der Familie, die der Erzähler mit sich herumträgt. Sein Interesse für die psychischen Erkrankungen wird nachvollziehbar anhand seiner Geschichte. Seine Erzählung scheint recht sachlich zu sein, und doch schimmert immer wieder etwas Humor durch die Sätze hindurch, oft auch schwarzer Humor. Die Geschichte hört sich an nach einer Verarbeitung der eigenen Herkunft, das Ende scheint eine Versöhnung mit der eigenen Geschichte zu sein. Ich kam mir immer wieder vor wie jemand, der verstohlen in die Geheimnisse eines anderen Einblick erhält, fast schon wie ein Voyeur.

So gut ich die Idee hinter diesem Buch finde, hat mich die Geschichte letztendlich nicht ganz überzeugen können – vielleicht war es das Gefühl, wie ein Voyeur auf Leons Geschichte zu blicken? Genau kann ich das gar nicht sagen. Ich vergebe 4 von 5 Sternen.