Familienerbe
Zunächst hatten mich das Cover und der Titel des Buchs neugierig gemacht. Beides versprach ein ungewöhnliches Leseerlebnis, was sich am Ende auch bewahrheitet hat. Dennoch bin ich nicht so richtig reingekommen in die Lektüre, die Figuren blieben mir fremd, die raschen Perspektivwechsel störten für mich den Lesefluss und das sich richtig "Hineinfühlen-Können". Beeindruckend fand ich Leon Englers Sprache. Die Sätze sind kurz und knapp, aber jeder von ihnen, ja jedes Wort, ist ein Volltreffer. Dazu kommt die feine Ironie, die das Lesen bisweilen sehr vergnüglich machte. Inhaltlich konnte das Buch mich jedoch nicht ganz überzeugen. Der Protagonist, dessen Namen man nicht erfährt, von dem man als Leser aber annimmt, dass es sich zumindest in Teilen um den Autor handeln könnte, setzt sich nach dem Tod seiner Mutter mit der Geschichte seiner Familie auseinander. Mit einer gewissen, durchaus nachvollziehbaren Sorge, womöglich selbst verrückt zu werden, blickt er auf das Leben seiner Eltern und Großeltern, von denen jeder einzelne von psychischen Erkrankungen betroffen war. Seine Berufswahl Psychologe bzw. Psychiater scheint für ihn der Ausweg, dem Wahnsinn nicht auch irgendwann nur ausgeliefert zu sein, sondern die Kontrolle behalten zu können. Als Leser erhält man viele interessante Einblicke in psychologisches Fachwissen und in die Arbeit von Therapeuten. Auch der Aspekt, wie sich diese Wissenschaft im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat, ist spannend. Aber für einen Familienroman bleibt mir alles zu emotionslos und sachlich und auch irgendwie zu unentschlossen.