intelligent, bewegend, originell

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kgranger Avatar

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Botanik des Wahnsinns ist ein ungewöhnlicher, zugleich tiefgründiger und humorvoller Roman, der mich von Anfang an fasziniert hat. Leon Engler erzählt hier die Geschichte eines Erzählers, der nach einer absurden Zwangsräumung buchstäblich vor dem Nichts steht – all das, was von seiner Familie geblieben ist, landet in der Müllverbrennungsanlage. Aus diesem tragikomischen Ausgangspunkt entspinnt sich eine Reise durch Generationen voller Brüche, Krankheiten und Überforderungen: eine Großmutter mit bipolarer Störung, ein depressiver Vater, eine alkoholkranke Mutter – ein ganzer Stammbaum des Wahnsinns.

Besonders gelungen fand ich, wie Engler diese schweren Themen mit einer feinen Balance aus Empathie, Ironie und Selbstreflexion erzählt. Der Erzähler blickt auf seine Kindheit im Münchner Arbeiterviertel, seine Flucht nach New York und seine Zeit als Psychologe in Wien – und lernt dabei, dass ein Mensch immer mehr ist als seine Diagnose. Der Roman ist klug, menschlich und manchmal sogar zärtlich in seiner Betrachtung von seelischen Brüchen.

Einziger Wermutstropfen: Ich hätte mir mehr davon gewünscht. Das Buch liest sich so interessant und sprachlich stark, dass es am Ende fast zu schnell vorbei ist. Einige Episoden bleiben angerissen, wo ich gern tiefer eingetaucht wäre.

Trotzdem: Botanik des Wahnsinns ist ein beeindruckendes, klug komponiertes Debüt – intensiv, eigenwillig und mit einer Stimme, die man im deutschsprachigen Literaturbetrieb nicht oft findet. Verdiente vier Sterne.