Kein cozy read

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bluenotes Avatar

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Siri Hustvedt nennt das Buch „unwiderstehlich“. Okay, reicht, ich lese es. Und ja: es ist weird, klug, lustig und bitter gleichzeitig.

Der Erzähler lebt mit der Angst, den Verstand zu verlieren. Kein Wunder, wenn man aus einer Familie kommt, in der psychische Erkrankungen nicht Ausnahme, sondern Alltag sind. Depression, Sucht, Schizophrenie, you name it, die sich wie ein Erbe durch die Generationen ziehen. Er wächst auf mit der Frage: Was macht das mit mir?

Um Antworten zu finden, flieht er in verschiedene Richtungen: ins Studium der Psychologie, in die Arbeit in einer Psychiatrie, ins Beobachten und Protokollieren seiner Eltern. Er versucht, Muster zu erkennen, das Chaos in Strukturen zu übersetzen. Doch je mehr er aufschreibt, desto deutlicher wird, dass es nicht um Klarheit geht.

Sprachlich ist das knapp, viele kurze Sätze. Das passt zum Thema. Definitiv kein Text, in den man einfach so reinfällt. Das macht auch Sinn: Die Form ahmt das Chaos nach, über das erzählt wird. Fragmentarisch, abgehackt, rastlos. So liest es sich, so fühlt es sich an.

Ich hatte manchmal das Gefühl, dass der Erzähler unnahbar bleibt, fast kühl. Dann aber gab es Szenen, in denen ich lachen musste und im nächsten Moment dachte: wow, eigentlich ziemlich brutal.

Fazit: „Botanik des Wahnsinns“ ist kurz, fordernd und verstörend. Kein cozy read, sondern ein Text, der einen zwischendurch laut „WTF“ denken lässt. Sehr eigen, aber genau deshalb interessant. Dazu kommt, wie intelligent es geschrieben ist. So viele Sätze, die man am liebsten anstreichen will, so viele Gedanken, die hängen bleiben. Und ja, das Cover ist auch einfach richtig gut.