Psychologie trifft Literatur - sprachgewandt und kenntnisreich

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merkurina Avatar

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Im grandiosen Podcast "Besser Lesen mit dem Falter" wurde ich auf dieses Buch aufmerksam, dessen Leseprobe ich irgendwie nicht bemerkt hatte. Dabei hat das Buch auch ein tolles Cover, ein wunderbares botanisches Zwitterwesen, das mit großem Auge auf den potentiellen Leser schaut.
Ich interessiere mich ohnehin sehr für psychologische Theorien und seelische Zustände - sowie Leon Engler, doch bei ihm ist es fast erzwungen: Seine Ahnenreihe ist gespickt mit Vorfahren, die diagnostisch einiges an typischen Erkrankungen abdeckten. Zum Glück für Leser:innen wird Englers Furcht vor seiner genetischen Disposition produktiv. Entstanden ist ein sehr kenntnisreiches Buch, geschrieben mit viel sprachlicher Finesse. Und tollen, humorvollen Formulierungen!
Auch wenn das Buch, vermutlich ebenso wie Englers Familiengeschichte und sein eigenes Normadentum, in diversen Städten spielt - Deutschland rauf und runter und dann auch New York, Paris - ist es für mich, der großen Sprachbeherrschung halber, ein Wiener Buch. Wenn es endet mit des Autors Aufenthalt, oder zumindest seines Ich-Erzählers, im Hotel Stefanie, dem ältesten der Stadt Wien, fängt dies die wunderbare Atmosphäre der morbiden Wiener Geborgenheit noch mal ein.