Zuhören statt diagnostizieren

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mirjams Avatar

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Botanik des Wahnsinns - treffender konnte Leon Engler die Geschichte des jungen Mannes der auszog, „nicht verrückt zu werden“, wohl kaum betiteln. Psychische Erkrankungen ziehen sich seit Generationen wie Gedärm durch die Familiengeschichte, von seiner Mutter sind nach deren Zwangsräumung lediglich 7 Kartons Müll übrig, was ist da naheliegender, als sich der eigenen Familiengeschichte und der Frage, wie es so weit kommen konnte, zu stellen.

Zunächst einmal finde ich es als - selbst Betroffene - absolut bemerkenswert mit welch einer Leichtigkeit sich Leon Engler sämtlichen schwierigen, oftmals sogar immernoch tabuisierten Themen nähert, ohne den Leser damit zu überlasten. Mit Ironie und sogar Wortwitz berichtet er scharfsinnig und präzise von psychologischen Diagnosen und Ansätzen, von Jung und Freud, während sich sein Ich-Erzähler nicht nur mit der Biografie und den psychischen Krankheiten seiner Ahnen auseinandersetzt, sondern er selbst auch als Psychologe in einer Klinik zu arbeiten beginnt. Auf unterhaltsame, wie eindringliche Weise wird hier nicht nur Wissen vermittelt, kritisiert und Vorurteilen entgegengetreten, sondern auch die Frage geklärt, was denn nun eigentlich Botanik mit Wahnsinn zu tun hat ;-)

Fazit: Das Buch ist informativ, sprachlich brillant und zugleich ebenso skurril und grandios wie das Cover. Ich kann es absolut empfehlen, allerdings sollte schon ein gewisses Interesse an dem Thema bestehen!