Abacadabra

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Es nimmt die geneigte Leserschaft wirklich Wunder. Erst im Februar diesen Jahres legte Frank Goldammer seinen serientauglichen Roman „Im Schatten der Wende: Kriminaldauerdienst Ost-West“ vor. Kein halbes Jahr später erscheint in diesen Tagen „Bruch“ – ein Setting, dessen Fortsetzung schon angekündigt ist. Da glüht wohl die Feder im Hause Goldammer.

Kriminalhauptkommissar Felix Bruch ist zerbrochen, gebrochen, scheinbar (nicht?!?) zusammen gebrochen. Ein kranker Typ, sitzt stundenlang im Dunkeln, vor seiner Dienstwaffe, spricht selten, nimmt Pychopharmaka, kämpft gegen seine inneren Dämonen. Keine Manieren, keine Konventionen, jede Menge Ungereimtheiten. Sehr zum Leid seinen neuen Kollegin Nicole Schauer, frisch von Hamburg nach Dresden versetzt. Bruchs jahrelanger Partner und Freund Michael verbrannte bei einem Autounfall, Bruch selbst wurde aus dem Wagen geschleudert. Der Flur raunt: Hätte er helfen können? Hat er den Kollegen verbrennen lassen? Warum ist Bruch selbst nur mit ein paar Kratzern davon gekommen?

Auch Kollegin Schauer hat ihr Päckchen zu tragen, aber das interessiert Bruch den sprichwörtlichen „feuchten Keks“. Der erste Fall kommt auch sofort. Im Speckgürtel von Dresden ist ein 10jähriges Mädchen verschwunden. Schauer wundert sich. Warum die Mordkommission? Ihr Vorgesetzter bleibt schmallippig. Vor zwei Jahren verschwand in der Reihenhaussiedlung mit den uniformen Häusern und handtuchgroßen Grundstücken bereits schon einmal ein Mädchen; und siehe da, diese Linda ist heute die beste Freundin des aktuellen Opfers, Celina. Hundertschaften suchen, Drohnen fliegen, Taucher tauchen. In der Siedlung herrscht eine unbestimmbare Spannung. Beide Elternpaare haben etwas zu verbergen. Die Feindschaft zwischen den alt eingesessenen Dorfbewohnern und den Zugezogenen zieht unsichtbare Demarkationslinien durch die Bevölkerung.
Schauer ermittelt klassisch, Bruch folgt oft schwierig nachvollziehbaren Eingebungen. Die Informationen konzentrieren sich mehr und mehr auf einen verwahrlosten und halb zusammen gebrochenen Bauernhof am Rande des Dorfes.

An dieser Stelle ist Schluss mit Inhalt, sonst macht es den kommenden Lesern und Leserinnen keinen Spaß mehr. Zwei Kritikpunkte sind anzumerken. Wenn Goldammer sich in ein Setting verliebt, wird es manchmal ganz schön detailreich und lang(atmig). Diese Szenen gibt es hier vor allem auch am „dunklen Ort“. Außerdem habe ich spätestens nach der Hälfte des Textes eine „Cool“-Allergie entwickelt. WO war da der Lektor?
Das Ermittlerpaar wird die Geister spalten. Fakt ist, dass die Beiden mit ihren ausgeprägten Brüchen (sic!) und originellen Verhaltensweisen partiell sehr präsent sind, und es Phasen gibt, an denen der Leser und die Leserin in Zweifel kommen können. Was ist hier eigentlich der Hauptplot? Wo spielt die Musik?

Bleibt uns die Hoffnung, dass Frank Goldammer nicht in die beliebige Routineproduktion à la Donna Leon abrutscht. Es wäre schade um ihn!

Nachtrag: Durch einen Zufall erhielt ich parallel zum gedruckten Buch auch das Hörbuch. Was für ein Genuss, was für eine Gaudi! Der Sprecher Stefan Kanimski beherrscht ungezählte Lagen sächsischen Dialektes, gibt auch Bruch eine Stimme, die mehr sagt als das gesprochene Wort. Und oft sind Szenen so lebendig gestaltet, dass der Hörer sich in einem Hörspiel und nicht in einer Lesung wähnt. Absolute Top-Empfehlung!