Ungewöhnlich. Gewöhnungsbedürftig.

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laberladen Avatar

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Darum geht’s:

Nicole Schauer ist die Neue bei der Kripo Dresden. Sie wird mit dem eigenbrötlerischen und verschrobenen Felix Bruch zusammengesteckt, beide müssen das Verschwinden eines Mädchens untersuchen und stoßen nur auf eine Mauer des Schweigens. Je länger die beiden zusammenarbeiten, desto seltsamer findet Nicole ihren Kollegen und bezweifelt, dass er überhaupt in der Lage ist, vernünftig zu ermitteln.

So fand ich’s:

Eine Bewertung dieses Buches fällt mir wirklich schwer. Es hat Facetten, die ich sehr mochte und es hat welche, die ich richtig schrecklich fand. Und so ziemlich alles dazwischen.

Über Ermittler, die von der Norm abweichen und sich nicht immer an die Regeln halten, lese ich ausgesprochen gerne. Dazu gehört für mich aber auch, dass sie ihrer eigenen Logik folgen statt dem Schema F oder auch heiße Eisen anpacken, statt den leichten Weg zu gehen. Bruch folgt … ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob es sein Instinkt ist, seine Wahnvorstellungen oder einfach Zufall, dass er sich in die richtige Richtung bewegt. Er teilt sich nicht mit. Nicht seinen Vorgesetzten, nicht seiner neuen Partnerin Nicole und auch nicht den LeserInnen. Und da ich diese schweigenden Alleingänge nicht wirklich nachvollziehen konnte, fand ich sie ärgerlich.

Nicole Schauer ist neu in Dresden, der Liebe wegen ans andere Ende Deutschlands gezogen und prompt sitzen gelassen worden. Sie ist ziemlich cholerisch und unbeherrscht, schnell mit der Faust und fuchtelt auch schon mal mit der Waffe herum, um Leute einzuschüchtern und diese Eigenschaften finde ich alles andere als cool. Andererseits ist sie ein echter Angsthase im Dunkeln und wo ich gerne ein bisschen mehr Gelassenheit und Übersicht gesehen hätte, fand ich nur hysterische Panik.

Sowohl Felix als auch Nicole schleppen ein gigantisches Paket an unaufgearbeiteten Dingen mit sich herum, was dazu führt, dass sich ein großer Teil des Buches mit diesen beiden Figuren und ihrem Innenleben, ihren Problemen und ihrem Verhältnis zueinander befasst. Dabei wird das im Laufe der Zeit weder durchschaubarer noch bessert es sich. Wer an den einzigartigen Figuren Schauer und Bruch Spaß hat, wird dieses Buch sicher um einiges mehr lieben als ich. Anfangs war ich schon fasziniert von den beiden, doch weil im Laufe der Zeit alles eher noch schlimmer wurde und beide an ihre Grenzen gerieten, hab ich die beiden auf der Strecke irgendwo verloren. Mir hätte es gefallen, dass sie zu einem Team zusammenwachsen, dass sie sich gegenseitig stützen und es zwischen ihnen klickt. Aber das passierte nur in so mikroskopisch kleinen Dosen, dass man sie kaum wahrnahm. Überwiegend waren beide mit ihren eigenen Nöten beschäftigt.

In der Mitte des Buches gab es für mich einen dicken Durchhänger, da die ausführlich erzählten Geschehnisse am “dunklen Ort” mich nicht packten und die Handlung gar nicht voran kam.

Die Krimi-Handlung des verschwundenen Mädchens an sich ist nicht wirklich bestimmt von zielgerichteten Ermittlungen, da sowohl Nicole und erst recht Felix einigermaßen ziellos durch die Handlung stolpern und entweder in Sackgassen oder auf eine Mauer des Schweigens stoßen. Die Aufklärung des Falles haben sie sich nicht erarbeitet, sondern … wie soll ich das formulieren, ohne zu spoilern … sie hat sich irgendwie ergeben.

Frank Goldammer beherrscht sein Handwerk und erzählt routiniert. Zwar kamen die Geschichte und ich nicht ganz zusammen, doch das lag nicht an der Erzählkunst des Autors. Das letzte Drittel des Buches hat mir am besten gefallen, da hier actionreiche Handlung dazukam, die mich doch noch abholte.

Dieser Krimi ist wahrlich keine Durchschnittskost und wer sich auf etwas Neues einlassen möchte, könnte hier genau das finden, was er oder sie sucht. Ich habe es gemocht, dass dieses Buch neue Wege geht, allerdings war die Richtung nicht immer ganz nach meinem Geschmack. Meine Neugier, wie es mit den beiden ziemlich kaputten Ermittlern Bruch und Schauer weiter geht, ist zwar geweckt. Denn ihre persönlichen Traumata haben sie noch lange nicht überwunden und Goldammer kann sich ganz bestimmt über mehrere Bände daraus bedienen. Aber ob diese Neugier reicht, mich weiter mit dieser Serie zu befassen, das weiß ich noch nicht.