Ein herausragendes Buch - nicht nur für Jugendliche

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Der Hintergrund
Quentin Bell (* 1910), der Icherzähler der fiktiven Geschichte, und sein Bruder Julian (* 1908) waren die Neffen von Virginia Woolf. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Angelica wuchsen sie in einem exzentrischen Künstlerhaushalt im ländlichen Sussex auf. Ihr Vater kam regelmäßig aus London zu Besuch, Mutter Vanessa lebte und arbeitete zusammen mit ihrem Maler-Kollegen Duncan. Als Julian Bell in den Spanischen Bürgerkrieg zieht, kündigt Quentin an, er werde ein Buch über seinen Bruder schreiben, falls Julian nicht zurückkehrt. Dieses Buch halten die Leser in den Händen, können seine Entstehung mit verfolgen, doch geschrieben wurde es vom niederländischen Jugendbuchautor Rindert Kromhout. Kromhout war in Virginia und Leonard Woolf‘s Monk’s House bei Lewes zu Besuch und bekam so auch das nahegelegene Charleston Haus der Familie Bell zu Gesicht. „Brüder für immer“ ist das erste von insgesamt drei Büchern über die Familie Bell.

„Jeder andere Bruder hätte einen Angsthasen wie mich in diesem Moment ausgelacht oder später zu Hause erzählt, was für ein Feigling ich doch wäre, aber nicht Julian. Er sah mich ernst an, kroch wieder unter dem Stacheldraht durch und nahm mich an die Hand. „Wir gehen um die Weide herum." “ (Seite 12)
Die Brüder haben ein sehr inniges Verhältnis zueinander, das sicherst ändert, als der ältere Julian sich für Politik zu interessieren beginnt und kein Zimmer mehr mit seinem jüngeren Bruder teilen will. In einem exzentrischen Haushalt mit ständigen Besuchen anderer Künstler haben die Kinder bis dahin eine idyllische Kindheit verbracht, geliebt und beschützt von ihrer exzentrischen Großfamilie. Auch wenn der seltsame Lebensstil der Familie von den Dorfbewohnern misstrauisch beäugt wird und die komplizierten platonischen, hetero- und homosexuellen Verbindungen ganz ohne Diagramm nicht leicht zu durchschauen sind, herrscht innen große Warmherzigkeit. Bis eine Lüge alles zerstört.

Selbst wenn später Quentins Begabung als Schriftsteller auf den Einfluss seiner berühmten Tante Virginia zurückgeführt werden wird, weiß er es besser. Auslöser für seine Liebe zum Schreiben war das Buch Alice im Wunderland, das seine Mutter den Kindern vorlas. Dieser Abschnitt zeigt in berührender Weise, dass Quentin schon früh unterschiedliche Perspektiven unterscheiden konnte. Zu dem auslösenden Ereignis gibt es unterschiedliche Interpretationen, die alle einen Teil der Wahrheit enthalten. Quentin wird von Virginia Woolf gefördert und sie rät ihm, regelmäßig eine Familienzeitung zu verfassen und seine Texte von anderen Personen lesen zu lassen.
„Höre gut zu, was sie zu sagen haben. Wenn sie etwas anderes verstanden haben, als du gemeint hast, taugt die Geschichte nicht. Geh dann noch einmal drüber und noch einmal, so lange, bis du den Leser dort hast, wo du ihn haben willst. So lernst du schreiben. Und lies! Lies alles, was du in die Finger kriegst. Ein Schriftsteller muss lesen und andere Schriftsteller studieren.“ (Seite 129)

Während sich in Deutschland und Italien der Faschismus ausbreitet, werden bei den Bells Gespräche darüber geführt, warum es Krieg gibt, was ein Feind ist, was Kommunismus, Anarchismus und was Faschismus. Diese Gespräche sind für die Zielgruppe ab 12 Jahren absolut verständlich – und eine der Stärken des Buches.

Fazit
Anfangs habe ich mich gefragt, ob das Leben der Bloomsbury Group überhaupt ein Thema für Kinder sein kann. Doch Quentins Heranreifen und die Entdeckung seines Talents als Schriftsteller sind ein klassischer Coming of Age-Stoff. Vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs und mit dem anrührenden Verhältnis der ungleichen Brüder ein herausragendes Buch – nicht nur für Jugendliche.