Roh und echt

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anna.liest Avatar

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Dieses Buch ist für mich ein absolutes Überraschungshighlight und ganz anders als alles was ich bisher gelesen habe.
Der Inhalt ist schnell erzählt: eine Gruppe Freunde wächst zusammen in Oslo auf, der Alltag ist geprägt von Gewalt und Kriminalität aber auch voller Freundschaft und Zusammenhalt.
Der Schreibstil ist erst gewöhnungsbedürftig, dann einprägsam: kurze Sätze, kurze Kapitel, Punktion und grammatikalische Regeln nebensächlich, alles klein geschrieben, der Autor hat große Teile seiner Texte mit der Notizfunktion seines Handys getippt und das verleiht dem Text eine Authentizität die sehr besonders ist.

Ich bin durch die Seiten geflogen wie im Rausch, die Story ist wie ein Film vor mir abgelaufen, die Jungs und ihr Aufwachsen, ihre Herkunft und ihre Voraussetzungen die erst vielversprechend aussahen, dann aber irgendwo eine falsche Abzweigung genommen haben. Spotlight auf einzelne Szenen, sehr kurze Passagen die für sich wirken, am Ende aber dennoch ein großes Ganzes ergeben und die Geschichte abrunden. Rastlosigkeit, Getriebensein, mehr als einmal das Gefühl die Kontrolle über das eigene Leben zu verlieren... all das wird auch durch die großartige Übersetzung von Karolin Hippe eingefangen und erzeugt einen Sog dem ich mich nicht entziehen konnte.

Es ist einerseits eine Coming of Age Story und gleichzeitig eine Ode an die Freundschaft die bestehend bleibt obwohl das Leben um einen herum so hart ist dass man beim Lesen mitleidet. Und auch wenn mir die Lebensrealität der Protagonisten absolut fern ist habe ich mich ihnen durch den Schreibstil sehr nah gefühlt.
Ein eindringlicher, ungeschönter und überraschend zarter Text und ein sprachliches Experiment auf das es sich einzulassen lohnt.