Berührende Lebensgeschichten

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monika85 Avatar

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Der Droemer Verlag hat "Café Leben", den Debütroman der englischen Autorin Jo Leevers, veröffentlicht. Das wunderschön gezeichnete Cover erregte meine Aufmerksamkeit, und der Klappentext versprach eine interessante Lektüre. Ich bin nicht enttäuscht worden.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht die 32jährige Henrietta Lockwood. Sie ist alleinstehend und lebt sehr zurückgezogen, ihr einziger und bester Freund ist ihr Hund Dave. Eigentlich ist Henrietta Bibliothekarin, aber bisher hat sie ihren Platz in der Berufswelt noch nicht gefunden. In einer Zeitschrift entdeckt sie eine interessante Stellenanzeige und bewirbt sich für das Projekt Lebensbuch bei der Beratungsambulanz eines Londoner Krankenhauses. Zu ihrer Freude erhält sie den Job, und fortan ist es ihre Aufgabe, im Café des Krankenhauses Gespräche mit todgeweihten Patienten zu führen und ihnen dabei behilflich zu sein, ihre Lebensgeschichte schriftlich festzuhalten.

Die erste Patientin, mit der Henrietta sich unterhält, ist die krebskranke Annie Doyle. Annie ist 66 Jahre alt und beginnt, aus ihrem Leben zu erzählen. Ihre Ehe mit Terry, den sie mit 19 Jahren kurz nach dem Tod ihrer Schwester heiratete, blieb kinderlos. Erst vor zwei Jahren hat sie ihren Mann durch einen tragischen Unfall verloren. Ihre 18 jährige Schwester Kathleen ist 1974 "mutmaßlich ertrunken", wie Annie es ausdrückt. Henrietta hakt nach, möchte mehr erfahren, aber Annie braucht noch Zeit, um sich zu öffnen, Zeit, die ihr vielleicht fehlt .....

Die Autorin schildert in schönem Sprachstil und auf einfühlsame Weise die Begegnungen der beiden Frauen, die unter schweren Traumata leiden und sich mit zunehmender Vertrautheit und Zuneigung ihre Lebensgeschichten erzählen. Im Wechsel begleiten wir Henrietta und Annie, erleben ihren Alltag, ihre Gedankenwelt und ihre Erinnerungen, aber auch die Auseinandersetzung mit ihrer Kindheit.
Jo Leevers rollt die Ereignisse der Vergangenheit und die Erinnerungen von Henrietta und Annie ganz behutsam und langsam auf. Nach und nach erfahren wir, welches schmerzliche Erlebnis aus Henrietta diese sehr spezielle und verschlossene Frau machte. Auch Annies Leben blättert sich langsam auf, von der engen Verbundenheit mit ihrer Schwester Kath bis hin zu derem Verschwinden und ihrer langjährigen Ehe mit Terry. 

Das ruhig und sensibel erzählte Buch hat mich von Beginn an sehr berührt und in seinen Bann gezogen, ich tauchte ein in die Lebensgeschichten der beiden ungleichen Frauen bis hin zu dem für mich überraschenden, aber stimmigen Ende. 
Die Protagonistinnen waren mir sehr sympathisch, ich konnte mich sehr gut in die Charaktere einfühlen und habe die Geschichte trotz des ernsten Themas an keiner Stelle als rührselig oder gar kitschig empfunden. 
Nicht unerwähnt lassen möchte ich das schöne und berührende Nachwort sowie das Gespräch mit Jo Leevers am Ende des Buches. 

Der Roman wird mich noch lange beschäftigen - klare Leseempfehlung von mir und 5 Sterne!