Berührt, ohne kitschig zu werden

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„Café Leben“ ist eines dieser (Hör-)Bücher, die mich überrascht haben, und zwar positiv. Denn weder Cover noch Klappentext hätten mich im ersten Moment aufmerken lassen. Da schien das Hörbuch eine gute Gelegenheit …

Die Geschichte handelt von zwei Frauen, wie sie sich begegnen und was sie verbindet oder trennt. Da ist zum einen Henrietta: etwas über 30, froh über jeden nicht stattfindenden Kontakt mit Mitmenschen, alleinstehend mit Hund, beruflich eher verkracht und deshalb froh, als sie einen Job bekommt als eine Art Ghostwriterin für Hospizbewohner, deren Lebensgeschichte sie aufzeichnen soll (wenn nur der Kontakt zu Menschen vermeidbar wäre …). Zum anderen ist da Annie: Mittsechzigerin, Krebspatientin mit einer Lebenserwartung von nur noch wenigen Wochen. Annie ist Henriettas erste „Kundin“, aber sichtlich wenig begeistert von der Aussicht, ihr Leben zu erzählen. Wenn Henrietta zu fragen beginnt, verschließt Annie sich, woraufhin Annie, die auch nicht von ungefähr so zurückgezogen lebt, in Annies Familiengeschichte zu wühlen beginnt. Um aber alle Puzzleteile zusammenfügen zu können, muss sie über ihren Schatten springen und von sich erzählen …

Wer bei einsamer Frau, Hospiz, Lebensbücher usw. glaubt, „Café Leben“ sei ein tieftrauriges, schwülstiges Buch, wird durch die (Hör-)Lektüre eines Besseren belehrt. Ja, die Geschichte macht nachdenklich, teils auch traurig – aber auch fröhlich, Hoffnung. Wie das gelingt, ist mir ein mittleres Rätsel, aber es ist so. Was mir kein Rätsel ist, sind folgende Umstände, die einen Gelingensbeitrag leisten: Die Figuren sind sympathisch (auch „Nebenfiguren“ wie Henriettas ziemlich schräger Hund), die Geschichte erzählenswert, das entgegen jeglicher Erwartung in einem von zwar leichten und gut les- bzw. hörbaren Erzählstil, ohne (nennenswerte) Längen und ohne kitschig zu werden. Man erfährt von beiden Frauen in einzelnen durch den Kontakt mit bzw. von der anderen freigelegten Schichten, was diese Frauen verletzt hat. Parallel dazu beginnt man über das (eigene) Leben nachzudenken: Was ist wichtig im Leben, was bleibt, was wollen wir (erreichen, sein) – was sind die Dinge im Leben, die wir auf dem Sterbebett bereuen würden, wie schließt man Frieden mit sich und seinem Leben? Das Hörbuch wird gelesen von Tanja Fornaro, Nora Jokhosha und Heike Warmuth, die ihren Job wirklich gut machen. Sie leihen den Figuren ihre Stimme und hauchen der Geschichte Leben ein, auch sie, ohne kitschig zu werden. „Café Leben“ ist eine Geschichte, die im besten Sinne berührt und für die das Hörbuch ein sehr gutes Medium ist.