Leben und Tod - ganz besonders, unterhaltsam, tiefsinnig und absolut empfehlenswert!

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sternzauber Avatar

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Sterben und Tod sind im Leben der meisten Menschen leider noch immer ein Tabuthema und werden gerne verschwiegen, bzw. einfach ignoriert. Dabei gibt es nichts, was uns Menschen universeller verbindet, als Geburt und Tod, denn diese beiden entscheidenden Wegmarken begrenzen unser Leben nun mal ganz unweigerlich und unumgänglich. Deshalb finde ich es so gut und wertvoll, wenn es Ausreißer aus dem Schweigen gibt (und die gibt es zum Glück zunehmend mehr) und sich auch Autoren mit diesen Themen beschäftigen. Der Autorin Jo Leevers ist dies Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben meiner Meinung nach in ihrem Buch „Cafe Leben“ ausgesprochen gut und auf eine ganz ungewöhnliche Weise gelungen.

In ihrem Buch erzählt sie die Geschichte von zwei ganz besonderen Frauen, die durch das Projekt „Lebensbuch“ verbunden werden. Dieses Projekt bietet sterbenden Menschen die Möglichkeit ihre Lebensgeschichte in Buchform für ihre Hinterbliebenen festzuhalten und somit bleibende Erinnerungen zu schaffen. Henrietta, die Anfang 30 ist und ein sozial extrem zurückgezogenes Leben führt, übernimmt die Aufgabe, die Erzählungen der Menschen im Cafe Leben der Rosendale-Krebsambulanz aufzunehmen und zu verschriftlichen, wo sie auf die 66-jährige Klientin Annie trifft. Diese möchte jedoch keine Erinnerungen festhalten, sondern diese, ganz im Gegenteil, loswerden. Durch die Treffen zur Erstellung des Buches entsteht eine ganz neue Situation für beide Seiten und die zu Beginn so klare Aufgabe nimmt ganz besondere und abenteuerliche Ausmaße an.

Jo Leevers beschreibt die Situation sterbender Menschen ohne Pathos und Kitsch, aber mit viel Einfühlungsvermögen und Innigkeit. Die Protagonistinnen sind mir, trotz oder auch wegen, ihrer „Schrulligkeiten“ und charakterlichen Besonderheiten sehr schnell ans Herz gewachsen und ich habe sehr mit ihnen mitgefiebert. Dabei ist dieses Buch keineswegs eine düstere Abschiedsstory, sondern eine Geschichte voller Leben, mit vielen Facetten und sogar kriminalistisch spannenden Verwicklungen und Verstrickungen. Mich hat die Komplexität sehr positiv überrascht und auch die Tiefe, die in den Gesprächen und Gedanken der Charaktere zu Tage tritt, überzeugt mich.

Die sprachliche Ausdrucksweise der Autorin ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Außerdem mag ich den Zug, dass die einzelnen Kapitel mit den Namen der Personen überschrieben sind, aus deren Sicht die Geschichte weiter erzählt wird, denn so entsteht für mich eine angenehme Intimität mit dem Erleben und ich kann an der Handlung aus verschiedenen Blickwinkeln teilnehmen. Das Cover gefällt mir ebenfalls ausgesprochen gut und vor allem hat mich der Ausdruck der Frau darauf sofort in ihren Bann gezogen.

Sehr berührend finde ich die Idee des Lebensbuches, die es, auf verschiedene Weise, auch im echten Leben gibt und die sicherlich vielen Menschen eine Menge bedeutet. Ein solches Projekt als Ausgangspunkt für einen Roman aufzugreifen gefällt mir sehr, zumal es damit bekannter gemacht werden kann und sicherlich manch einen Leser zu eigener Erinnerungsarbeit anregt. Was wären wir Menschen ohne das Wissen und die Erfahrungen unserer Vorgänger? Und wie wertvoll sind für uns die persönlichen Erinnerungen unserer Herzensmenschen? Aber auch die Frage nach der eigenen Endlichkeit und danach, was wir unseren Lieben hinterlassen möchten, sollte nicht ausgespart werden.

Gerne würde ich noch mehr tolle Einzelheiten beschreiben, aber damit würde ich sicherlich zu viel verraten, deshalb kommt von mir eine ganz klare Ermunterung zum selber Lesen – es lohnt sich absolut!!